Der unvollkommene Mensch

Was fehlt? Der dritte Arm

Meine Physiotherapistin oder wie das heißt bittet mich bei der Instandsetzung des linken irgendwann einmal viehisch ausgerenkten Armes um Lockerheit. “Sie helfen immer noch mit!” sagt sie liebevoll, aber mit dem gewissen “SO NICHT!”-Unterton. Jeder Hinweis auf “Ich bin aber doch ein Gentleman” / “Man kann sich bzw. seinen Arm doch nicht so hängen lassen” / “Ist das mein Arm oder Ihrer?” geht da ins Leere.

Allerdings schwatzen wir während der Therapie sehr viel, und so haben wir dann jüngst eine Theorie der Unvollkommenheit des Menschen entwickelt, natürlich vom Arm ausgehend, dort aber nicht verweilend. Die Arbeitshypothese lautet: Wir wollen nicht ungerecht sein und dem Schöpfer auch nicht ein gewisses Quentchen an Kreativität absprechen – aber wäre es nicht praktischer, wenn man den Arm einfach abnehmen könnte? So wie den Hut oder die Brille? Da könnte man zum Beispiel den kaputten und pflegebedürftigen Arm in der Praxis abgeben und derweil ein Käffchen trinken gehen – ein Arm ist ja noch frei, um die Tasse an den Mund zu führen! Die Fachkraft könnte sich dann um den Arm kümmern und nach erfolgter Therapie ihn wieder anmachen (egal, ob mit Reiß- oder Klettverschluss oder gar mit Dübeln – auf die ich natürlich nur komme, um im Rahmen einer kleinen Schleichwerbung auf das Open Blog am Freitag hinzuweisen. Im Fernsehen machen sie ja auch immer Werbung!)

Der abnehmbare Arm (zum Patent angemeldet) ist aber nur der Anfang. Denn sehr schnell kamen wir darauf, dass drei Arme eigentlich viel besser seien als die allgemein vorhandenen zwei. Nehmen wir nur die gemeine Stehparty: In der rechten Hand das Proseccoglas, in der linken den Teller mit den Naschereien – und womit kommen die nun in den Mund? Richtig: Mit der so schmerzhaft vermissten dritten Hand! Natürlich ist auch die abnehmbar, alles andere wäre ja Rückschritt! Die Anordnung denken wir uns so, dass der Ansatz in Bauchnabelnähe mittig liegt – so kommt man mit einem Modell für Rechts- und Linkshänder aus, was die Produktionskosten deutlich senkt.

Im Laufe der Behandlung wandte die liebe Muskelschmerzentfernerin dann noch einen Trick an, den ich von Besuchen der Folterkammer auf Burg Stolpen schon kannte: Verlängerung des Körpers durch Strecken und Zerren. Sie nahm also, hinter mir stehend, den Kopf in die Hand und zog laaaaaaaaangsam so lange, bis der Hals sich längenmäßig verdoppelte. Ich erwartete schon die Anwendung des “Kopf-ab-Prinzips”, wurde aber eines Besseren belehrt: Der Kopf blieb dran.

Nächsten Freitag ist wieder Termin, da wollen wir die Überlegungen noch einmal vertiefen und sehen, welche ursprünglich zu Folterzwecke erfundenen Ideen noch heute in der Medizin angewandt werden können.

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