Understatement ist, wenn man seine neue Gastro „Kantine“ nennt und es gleich zu Beginn schon mal Austern gibt. Wem man so etwas in Dresden zutrauen kann – also sowohl eine Neueröffnung (es sind eigentlich zwei, dazu gleich mehr) als auch Austern in der Kantine? Mario Pattis natürlich! Der war ja schon viel zu lange ohne ein Restaurant, das zu seinem fulminanten Kochstil passt, wo Pattis immer schon allerbeste Produkte und perfektes Handwerk mit unbändiger Lust am Gastgebersein verband. Nun also meldet er sich zurück in der Prisco-Passage im Dresdner Barockviertel: frisch aufgemacht hat ein Feinkostladen mit angeschlossener „Kantine“, Mitte Juli kommt gleich nebenan das Feinschmeckerrestaurant „Feine Kost“ hinzu.
Wir gingen nachmittags in die Kantine. Dort steht Christiane Unruh hinter der Theke (Käse, Aufschnitt, Wein und allerlei Spezialitäten, viele – wie gebeizter Lachs – im Hause Pattis selbst produziert). Der Raum ist ein langer Schlauch, da passt neben die Theke noch die offene Küche, aus der heraus Marko Rudert Kleinigkeiten schickt – Suppen, Quiche, Tagesgerichte. Als wir kamen, wuselten (wohl auch baustellenbedingt) auch Mario Pattis und seine langjährige Serviceleiterin im e-Vitrum und baldige Ehefrau Simona Görner noch im Laden und dem zukünftigen Restaurant herum. Und natürlich ließ es sich Mario Pattis nicht nehmen, die bestellten Austern (je 3,50 €) selbst zu öffnen, zu garnieren und zu servieren.
Wir saßen in der Kantine, weil es uns draußen doch ein wenig frisch war – aber es gibt reichlich Außenplätze im ruhigen Innenhof der Prisco-Passage. Innen sitzt man freilich auch hell, denn (der Laden ist ein Schlauch!) es gibt ja nur Fensterplätze – und die Fenster sind groß! Die Fine de Claire waren sehr frisch, groß, fest, nussig und von der Art, wo man vor Freude die Augen verleiert. Wir sind ja normalerweise Puristen, nehmen also allenfalls etwas Zitrone zur Auster – aber Mario Pattis wäre nicht der Geschmackverliebte, wenn er nicht auch Varianten im Angebot hätte. Und natürlich hatte er da was vorbereitet: es gab einmal Auster nackscht, einmal mit Passionsfrucht und einmal mit Gurke-Wasabi. Das sind wunderbare natürliche Austernergänzungsmittel, mussten wir feststellen und beschlossen schon jetzt, öfter mal vorbei zu schauen.
Während der Austernschlürferei und des Naschens vom frischen Sauerteigbrot aus der Backstube von Elias Boulanger, das mit zwei schmackhaft-anregenden Dipps kam (Frischkäse & Paprika sowie Hummus & Zitrone), sahen wir uns die Karte etwas genauer an – und mussten erst einmal schlucken: hat der Herr Pattis etwa seinen Namen geändert und heißt jetzt Patti? Ein sehr keck angesetzter Apostroph brachte uns auf den Gedanken, denn es gibt ein Lachstatar Patti’s und auch einen Patti’s Caesar’s Salad – aber schon da beruhigte sich der Puls, denn eigentlich heißt der Klassiker ja Caesar Salad. Verliebte Jungs sind eben manchmal auch verspielte Jungs… Natürlich sprachen wir den Mario P. auf eine mögliche Namensänderung an, aber er beruhigte uns: das sei die Idee eines Grafikers gewesen, der fand das lustig. Und das kommende Feinschmeckerrestaurant heißt auch ganz brav und konventionell: Feine Kost – Mario Pattis. Ohne Schnickschnack und Apostroph (wobei Feine Kos’t ja auch mal ne Variante gewesen wäre…)
Wir hatten das Mittagessen ausgelassen, also schon am Nachmittag genügend Platz zum Probieren von mehr: wir verließen das Angebot der gedruckten Karte und nahmen dankbar an, was die Christiane uns bei der Thekenbesichtigung gesagt hatte: man könne auch ganz individuell bestellen und dann am Tisch genießen. Die Schinken in der Auslage hatten es uns angetan, so dass wir Winzerschinken, Coppa und Nackenschinken probieren wollten. Und weil wir durchaus anfällig für gut klingende Anpreisungen sind, taten wir das nicht nur mit dem Brot, sondern auch mit „den besten Grissini, die ich kenne“. Ähm ja, sie sind toll: würzig und kross, nicht so beliebig wie Massenware aus dem Billomarkt es meist ist. Ungefragt brachte Mario Pattis dann noch („Ist ganz frisch fertig geworden!“) zweierlei gebeizten Lachs an den Tisch, den wir delikat fanden und auf die ungeschriebene Liste „demnächst bestellen“ setzten.
Aus der warmen Küche gab es weder Getrüffeltes Hähnchenfrikasse mit Pfifferlingreis (15 €) noch Spargel polnischer Art mit Kartoffeln (13 €) – weil wir uns für beide Tagesgerichte begeisterten und uns nicht entscheiden konnten. Simona Görner hatte einen pragmatischen Lösungsvorschlag: es gäbe noch eine Portion Kalbsleber mit Kartoffelstampf und Röstzwiebeln (18 €), die wir uns dann teilten. Natürlich war die Leber auf den Punkt gegart, und irgendwie selbstverständlich fanden wir auch Apfelschnitze und unerwartet Pilze auf dem Teller. Gute alte Hausmannskost, aber perfekt gemacht.
Die Weinauswahl im Feinkostladen ist nicht üppig, aber ausreichend und ansprechend. Wir hatten eingangs ein Glas 2020 Riesling vom Reichsrat von Buhl aus der Pfalz bestellt (0,1 l 6,90€ – 0,2 l 8,90 €: eine geschickte Art zu sagen, dass weniger oft nicht die richtige Entscheidung ist). Für die zweite Runde hatte Mario Pattis einen 2020 Rivaner vom Weingut Karl Johner, Baden-Baden, empfohlen (0,1 l 3,90 € / 0,2 l 6,90 €), der gehörig Trinkfluss hatte (will heißen: die Gläser leerten sich schnell und es gab Nachschlag). Das sind sehr manierliche Preise für solche Weine – und auch die Regalpreise für Wein zum Mitnehmen lasen sich durchaus verführerisch. Soll ja auch wohl so sein…
Zum Abschluss gab’s dann noch eine Probier-Portion mit Erdbeeren – pur, als Eis, als Mousse. Ungefragt, aber sehr willkommen, denn „ein Essen beim Mario ohne Dessert geht doch gar nicht!“, erklärte Simona beim Servieren. Und gleich hinterher kam der Chef und meinte, dass er nun gehen müsse und wir auf keinen Fall zahlen sollten: wir seien herzlich eingeladen. Und schon waren wir freudig beschämt, fühlten uns aber nicht bestochen – das geht nämlich erst ab fünfstelligen Beträgen 😉 . Das für den Nachmittag vorgesehene Budget, beschlossen wir, würden wir am gleichen Ort an einem anderen Tag auf jeden Fall in einem zweiten Versuch im Hof der Prisco-Passage lassen!
Pattis Feinkost und Kantine
Wallgässchen 4
01097 Dresden
Tel. +49 351 65 86 60 36
mariopattis.de/pattis-feinkost-und-kantine
Öffnungszeiten
Mo–Fr 11–18 Uhr
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