Den 22. und 23. April 2024 werden die sächsischen Winzer*innen (und auch anderswo sowie andere Landwirte, aber um die geht es jetzt hier nicht) sicher nicht so schnell vergessen: Nachtfrost legte sich auf die zarten Triebe der Reben, sie erfroren. „Wir haben diese Nacht wie die Löwen gekämpft, aber doch gegen den Frost verloren“, konnte man da lesen (Post auf Instagram vom Weingut Zimmerling in Pillnitz) oder die deprimierende Feststellung vom anderen Ende der sächsischen Weinstraße: „Mit schwerem Herzen müssen wir verkünden, dass der Weinjahrgang 2024 als Totalausfall endete“ (Maria Lehmann, Diesbar). Viele Reben – die Natur ist stark – trieben zwar wieder aus, aber die Lese in diesem Jahr war doch besonders kurz und wenig ergiebig. Nochmal Lehmanns: „In gerade einmal zwei Erntetagen haben wir dieses Jahr unsere Trauben geerntet – so wenige wie noch nie!“
Auch die großen Weingüter „schauen auf ein sehr spezielles Weinjahr zurück“ (Björn Probst, Betriebsleiter Schloss Proschwitz). Der studierte Geisenheimer und überzeugte Biodynamiker (wir hatten ihn im Podcast auf ein Glas zu Gast, zum Nachhören) fasst das Jahr so zusammen: „Der extrem warme Februar und März führte Anfang April zu dem zeitigsten Reb-Austrieb in Sachsen seit Beginn der Dokumentation. Auch unsere Weinberge hat der unvermittelte Frühjahrsfrost Ende April heimgesucht. Die tiefsten Temperaturen lagen am 22. April bei -4,5 Grad Celsius in Proschwitz und bis zu -6,5 Grad Celsius in Seußlitz.“
Gegen so viel Kälte – die zudem von oben kam und nicht als Bodenfrost – halfen weder Feuer noch andere Mittel, weder akut noch danach: „Unsere biologische, pflanzenstärkende Arbeit der vergangenen Jahre half zwar, dass alle Weinberge wieder austrieben – jedoch nicht gleichmäßig, sondern sehr verzettelt und ganz oft ohne neue Fruchtstände.“ Das führte zu dem Phänomen, dass an einem Rebstock bis zu vier verschiedene Entwicklungsstadien waren – was schlicht Mehrarbeit übers Weinjahr bedeutete (es ist ja nicht nur die gefeierte Lese, die den Winzer in den Weinberg treibt, da gibt es auch noch so Sachen wie Heften, Entblättern und Ausdünnen) sowie bei diesem Jahr 2024 mit sich immer abwechselnden Phasen von Regen und Wärme auch ein höherer Pflanzenschutzaufwand.
Auf Proschwitz begann die Lese in diesem Jahr „so früh wie noch nie, am 27.08.2024“ und endete fast zeitgleich zum Vorjahr mit der Lese im „Seusslitzer Closterberg“, dem ältesten Weinberg des Weinguts Schloss Proschwitz, mit der Ernte von Riesling- und Traminer-Trauben. „Auch wenn wir in der Menge starke Verluste hinnehmen müssen so ist die Qualität der geernteten Trauben dank des feuchten und heißen Sommers und unseres Einsatzes hervorragend“, so Weingutsleiter Björn Probst. Wie hoch ist der Verlust? „Wir haben 23 % zum Jahr 2023 und 26 % zum langjährigen Mittel geerntet – besonders wenig bei Elbling (14 %) und Dornfelder (<10%), aber relativ gut bei Goldriesling mit fast 40%.“
Und wie kann man mit so einer geringen Ernte im kommenden Jahr leben? „Wir gleichen die hohen Verluste über zwei Wege aus“, verrät Probst. „Zum einen profitieren wir von der mengenmäßig guten und qualitativ hochwertigen Ernte des Vorjahres, was zu einem guten Lagerbestand führt! Zum anderen konnten wir Weiß-, Grau- und Spätburgundertrauben in Top-Qualität vom befreundeten VDP-Weingut Bercher in Burkheim/Baden erwerben, die wir im Breisacher Winzerkeller selbst ausbauen. Den Weinkeller konnten wir kurzfristig anmieten…“ Die Weine aus den zugekauften Trauben werden dann im kommenden Jahr als Weine b.A. Baden (bestimmtes Anbaugebiet Baden) vinifiziert und als Gutsweine vermarktet – mit einer eigenen Linie, die „Die Eisheiligen“ heißen soll.
Wackerbarth: Federweißer aus der Pfalz
Auch das Team von Schloss Wackerbarth kam ohne Zukauf nicht aus und machte auch kein Hehl daraus: beim Weinfest in Altkötzschenbroda fiel ein Plakat auf mit der Schlagzeile: Zum Wohl die Pfalz. Für Sachsen. Da ging es um den bei Weinfesten ja besonders begehrten Federweißen, und der kam bei den wenigen Trauben hierzulande „Dank der Unterstützung eines befreundeten Winzerkollegen“ aus der Pfalz. Gute und ehrliche Kommunikation – und wer Federweißen mag, ließ sich von der Herkunft nicht beeinflussen. Für die richtigen Weine und Sekte gilt: „Für unseren Dresdner Engel Sekt kaufen wir schon immer – wie bekannt – ausgewählte deutsche Trauben zu“, sagt Martin Junge, der Leiter Kommunikation auf Schloss Wackerbarth. Für die Zukunft werde man aber nachdenken müssen: „Der eigene Bestand an Weinen und Sekten und die verschiedenen Absatzwege spielen dabei ebenso eine Rolle wie die Anpassung der Zielprodukte in unseren Weinbergen.“
Aufgrund der Frostschäden habe man sich im Weingut in diesem Jahr auf Lagen- und Qualitätsweine konzentriert. Das gelte auch für die Leitrebsorte Riesling, die ca. 30 Prozent der 90 Hektar Rebfläche ausmacht. „Wir haben unsere Riesling-Trauben in diesem Jahr nicht wie sonst teilweise auch als Sektgrundwein gelesen, sondern die Trauben voll ausreifen lassen, um sie anschließend zum jeweils optimalen Zeitpunkt zu ernten“, sagt Junge – die letzte Handlese fand übrigens gestern statt. „Um jede Traube wurde gekämpft, und dennoch liegen wir beim Ernteergebnis aufgrund der Witterungsextreme im Frühjahr nur bei etwa 20 Prozent eines normalen Jahres“, weiß Junge zu berichten. Trostpflaster auch hier: den geringen Mengen steht eine gute Qualität mit hohen Mostgewichten, niedriger Säure sowie passender Aromatik gegenüber. „Das ist“, sagt Junge, „eine solide Basis für unsere Kellermeister, um daraus Weine mit der für unser Weinbaugebiet typischen und geschätzten Feinfruchtigkeit, Eleganz und Finesse zu keltern.“
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