Gold fürs Lob auf das Einfache und Gute

Pinzettenküche sieht anders aus, der Turmbau zu Gourmetteller auch. Aber wer außer einigen wenigen nutzt in der Küche denn Pinzetten beim Anrichten? Die alltäglich Küche hat das nicht nötig. Gut schmecken (und chic fotografiert werden) kann solches Essen natürlich auch – man muss sich nur mal trauen, es zu Papier zu bringen. Claudio Del Principe hat es – nach eigenen Angaben im Vorwort: erst nur zögerlich –  versucht, und das Ergebnis kann sich sehen lassen: beim Deutschen Kochbuchpreis gab’s in der Rubrik italienische Küche Gold für das Buch alla buona.

Claudio Del Principe ist ja in der Kochbuchszene kein Unbekannter – dieses ist sein elftes Buch, seine Anonymen Köche halten als Blog obendrein auch genug Material bereit. Dennoch machen die Bücher immer wieder Spaß – zumindest wenn man es mag, mal in sie reinzuriechen (ja, bitte wörtlich nehmen) und wenn die Nase raus ist, die ganzseitigen Bilder auf sich wirken zu lassen. Das etwas über 250 Seiten starke Buch liegt gut in der Hand, das Layout ist übersichtlich und nicht einengend (es gibt ja genug Bücher auf dem Markt, in denen der Autor nur exakt eine Seite Platz hat – hier ist ein Text so lang wie er lang sein muss, damit alles gesagt ist).

Der Untertitel des Buches lautet Cucina povera – zeitgemäße Esskultur. Das eine ist italienisch (was sonst?), das andere ist deutsch, aber keine Übersetzung, sondern eher eine vor falschem Übersetzen bewahrende Erklärung. Zeitgemäß, merkt man beim Lesen sehr schnell, ist unterm Strich eigentlich all das, was unsere Großeltern (und manchmal auch Eltern, aber die waren ja meist schon von Lebensmittelindustrie und Werbung verdorben) auch ohne wissenschaftliche Lektüre oder gar Influencer-Achtelwissen gemacht haben: vernünftig das auf den Tisch zu bringen, was Region, Jahreszeit und Geldbeutel zu bieten haben. Nicht immer, aber doch häufig, kommt dazu die rar gewordene Zutat Zeit. „Wer schon einmal komplexe Pasta geformt hat, kennt das: 2 Stunden Arbeit, die in 2 Minuten schwuppdiwupp vertilgt wird„, schreibt Claudio Del Principe im einleitenden Kapitel.

Ich habe das Buch gerne nur so zum Lesen in die Hand genommen, mich über die Leichtigkeit des Herangehens gefreut und ganz oft gedacht: warum gibt es eigentlich (bei uns) so wenig Restaurants, die genau so kochen – wobei genau so nicht heißt, dass sie zwingend die italienischen Rezepte auf den Tisch bringen, sondern durchaus auch die jeweils eigenen regionalen Varianten (wieder) entdecken. Der Autor macht indirekt ja Mut: gleich beim ersten Rezept Patate maritate von den „lieben Leuten meines Heimatdorfes Pescasseroli in den Abruzzen, die sich rühmen, dieses herzhafte Gericht erfunden zu haben“ schlägt er Varianten vor und empfiehlt obendrein, den verwendeten „italienischen Käse durch regionale Käsesorten [zu] ersetzen“.

Großen Kapiteln oder kleineren Unterkapiteln hat Claudio Del Principe einleitende Texte vorangestellt. Anders als beim allgemeinen Umgang mit Gebrauchsanweisungen gilt hier: lesen! Denn erstens sind auch diese Texte gut geschrieben (kennt jemand eine Gebrauchsanweisung, für die das gilt?) und zweitens ist mannigfach Lernstoff in den Einleitungen verborgen. Risotto ist ein must-read-Kapitel, beim Hülsenfrüchten-Vorab habe ich viel gelernt. Und aus der Pasta-Einleitung möchte ich einen längeren Abschnitt zitieren, der schön zeigt, dass auch so schnöde Dinge wie Nudeln nicht im luftleeren Raum hängen: „Wenn heute Pasta schlecht geredet wird als ungesunder Dickmacher und das darin enthaltene Gluten verteufelt wird, dann darf man sich durchaus fragen, wer hinter diesen Aussagen steckt. Die Antwort findet man, wenn man »dem Geld folgt«. Globale Hersteller anderer industrieller Lebensmittel sehen in Pasta eine lästige Konkurrentin. Das Produkt ist günstig, lange haltbar und es macht die Menschen satt und happy. Und sie nimmt anderen Marktanteile weg. Logisch, dass mit allen Mitteln der PR dagegen angegangen wird. Das war übrigens schon im 12. Jahrhundert der Fall. Professor Massimo Montanari, Historiker für europäische Ernährungsgeschichte, beschreibt in seinem erhellenden Buch »Spaghetti al pomodoro«, wie auf Sizilien bereits damals Makkaroni industriell hergestellt und als trockene Pasta verkauft wurden. Was Neider im Norden Italiens dazu bewog, sie mit einem Schimpfwort zu verunglimpfen: »Makkaronifresser«.“

Ein Grundrezept Pastateig findet man übrigens in der Einleitung vor dem Rezeptteil, aber es ist natürlich nicht der Rede wert: zwei Teile Hartweizenmehl, ein Teil Wasser, kneten, fertig. Eine sehr köstliche Langfassung für Past aus Mehl und Ei ist übrigens im schon erwähnten Blog abgedruckt (Lesebefehl!). Pasta-Rezepte gibt es im Buch natürlich auch einige, das von Spaghetti all’aqua di limone gefällt mir schon deswegen, weil das daneben stehende Bild überdeutlich zeigt: so ein Pasta-Gang muss nicht überbordend groß sein, es kommt nur drauf an, dass er schmeckt., Außerdem gefällt mir natürlich, wie hier mit wenigen – aber guten! – Zutaten ein optisch wie geschmacklich schöner Gang gezaubert wird…

Auch wenn das ein Lesebuch ist – manchmal sucht man ja doch ein bestimmtes Rezept: zwei Verzeichnisse helfen da, das eine ist alphabetisch, das andere den Kapiteln zugeordnet.

Claudio Del Principe
alla buona. Cucina povera – zeitgemäße Esskultur
ISBN: 978-3-03902-255-7
1. Auflage, 2024
Gebunden, 256 Seiten
Format: 17.5 cm x 24.5 cm
39 €

PS: Hier geht’s zur Besprechung der beiden Bände a casa vom gleichen Autor.

 

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