Wer einen umfangreichen Überblick über die deutsche Winzer*innenlandschaft bekommen will, greift ja gerne zu einem Weinguide. VINUM ist nach wie vor der mit den meisten Weingütern sowie den meisten verkosteten und bewerteten Weinen. Nicht ganz 14.000 Weine nehmen sich die rund zwei Dutzend Verkostungsexperten unter Leitung der Chefredakteure Matthias F. Mangold und Harald Scholl vor, in diesem Jahr haben es über 10.500 von annähernd 1.000 Weingütern in den Guide geschafft. Die Ergebnisse gibt es im dicken roten Buch sowie in einer App, die sich mit einem Code (liegt dem Buch bei) freischalten lässt.
Der erste Blick gilt – so viel Nähe darf sein! – dem Kapitel Sachsen. Matthias Dathan ist hier der zuständige Verkoster – wir hatten ihn genau zu diesem Thema ja Ende 20200 im Podcast „Auf ein Glas“ zu Gast. Dathan ist gebürtiger Dresdner und kennt die Region sowie die Winzer natürlich sehr gut, aber ob das ein Vorteil ist? Nein, mag sich Georg Prinz zur Lippe gedacht haben, denn sein Betrieb Schloss Proschwitz ist in diesem Jahr nicht dabei. Aus seiner Sicht vielleicht nachvollziehbar: Dathan sah die Weine sehr kritisch, das VDP-Weingut war mit zwei und zuletzt 2,5 (jeweils von 5 möglichen) Sternen eher durchschnittlich bewertet. Aus Konsumentensicht ist die Verweigerung natürlich – pardon: – blöd: wer sich nicht auskennt im Elbtal, hat die Betriebe hier ja nicht auf dem Schirm. Und Schloss Proschwitz bei einer Weinreise nach und durch Sachsen aus Unkenntnis auszulassen, ist der Sache nicht dienlich: man verpasst was!
Weil es ja nicht Allgemeingut ist (und nicht alle die aufklärende Podcast-Folge 71 (nochmal: diese!) gehört haben, hier kurz das Prinzip Weinguide. Die Tester (m/w/d) sind Profis – aber sie verkosten nur, was man ihnen zuschickt. Das ist bei VINUM kostenlos, die Hemmschwelle für Winzer ist also gering. Man muss halt nur ein Paket schnüren und ein paar Fakten ins System geben. Um „die völlige redaktionelle Unabhängigkeit“ zu wahren, erhebt VINUM von den Winzern keine Teilnahmegebühren. Das ist bei den anderen anders, aber arm machen die Anstellgebühren keinen. Der Schluss der Redaktion freilich stimmt nicht: „Kein Wein und kein Winzer von Bedeutung soll im VINUM Weinguide fehlen“. In diesem Sinne: Jungs, vertragt Euch, gerne bei einem Glas guten Weines aus Franken oder sonstwo her! Aber vielleicht wäre es ja auch der Sache dienlich, die SOMMs mal zu rotieren, um die Region aus anderer Perspektive zu betrachten, denn von den guten Winzern der Region verweigert sich ja nicht nur Schloss Proschwitz. Wie wär’s denn damit: der in Dresden lebende Silvio Nitzsche zum Beispiel beackert Saale-Unstrut, da wäre ein Tausch ja nahezu problemlos zu bewerkstelligen!
Nach so viel Gedanken über Abwesende zu den Anwesenden: mit je 3,5 (von 5 möglichen) Sternen stehen die anderen beiden VDP-Winzer der Region an der Spitze: „Das Weingut Martin Schwarz zeigt fein ziselierte Burgunder und Rieslinge mit perfekt integriertem Holz, auch der Sekt steht mit an der Spitze der Region. Klaus Zimmerling brilliert mit feinsten Bukettrebsorten, zeigt aber auch mit Riesling und den Burgundern, was momentan möglich ist. Die Weine sind mit ihrer leichten Restsüße immer auf Langlebigkeit ausgerichtet und zeigen nach drei bis fünf Jahren ihre wahre Größe„, heißt es in der Pressemeldung zur Region. Den beiden Betrieben folgen mit je 3 Sternen Schloss Wackerbarth (bei den Lagenweinen „zeigt sich neben einer prägnanten Säure eben auch die sehr stark von den Seynitböden geprägte mineralische Art„) und Friedrich Aust („er hat es bei fast allen Weinen geschafft, die Typizität der Lagen noch besser herauszuarbeiten„). Dritter Dreisterner ist Stefan Bönsch, der sich mit eigenen Weinen ja deutlich verkleinert, aber keineswegs verschlechtert hat (mehr dazu im Podcast mit Stefan Bönsch)!
Auf die weinbaulichen Entwicklungen außerhalb des Anbaugebiets Sachsen geht VINUM auch ein und gliedert Brandenburg erst mal einfach nach Sachsen ein. Ob das den Brandenburgern gefällt, ist zweitrangig … sie kommen vor, das ist wichtig. In Zukunft wäre aber ein eigenes Kapitel sicher korrekter und auch zielführender. In diesem Jahr sind es zwei Betriebe: Marbachs Wolfshügel in Jerischke, wo die Weine jetzt unter Regie von Stefan Bönsch entstehen – was man deutlich schmeckt (1,5 Sterne gab VINUM dem Betrieb). Auch zu diesem Betrieb gibt’s einen Podcast, in dem wir im Gespräch mit Hubert Marbach und Stefan Bönsch acht Weine vorstellen. Der zweite Betrieb ist Weinbau Wobar aus Großräschen: 1 Stern für die PIWI-Kollektion.
Neben den Bewertungen von Wein & Winzern in den Anbaugebieten lässt es sich auch VINUM nicht nehmen, jedes Jahr jede Menge Sonderpreise auszuloben. Da jeder Preis ganz viele Multiplikatoren bedeutet, sind ganz viele Preise natürlich ganz ganz viele Multiplikatoren. Ob die Anhäufung von derlei Sonderpreisen noch irgendeinen interessiert außer den Betroffenen, die sich natürlich freuen? Oh, da hat sich jemand gemeldet, also gut: Weingut des Jahres 2025 ist das Weingut Luckert (Sulzfeld, Franken). „Bekannt war der Betrieb lange Zeit für seine Silvaner, doch inzwischen haben sie sich zu Allroundern entwickelt, denen auch Rieslinge und Spätburgunder ganz exzellent gelingen„, heißt es zur Begründung. Aufsteiger des Jahres 2025 ist Marcus Hees (Auen, Nahe). Er hat seinen Betrieb in einem Seitental der Nahe innerhalb der letzten 15 Jahre aufgebaut und bezeichnet es selbst als Startup, alte Steillagen wurden neu bepflanzt. „Hees hat es geschafft, im wildromantischen Soonwald seinen ganz eigenen Stil zu finden: klare Kante, schlank, präzise mit kühlem Kern„, sagt die Jury. Am Rande erwähnenswert ist die todchice Adresse des Weinguts: Zur feuchten Ecke 6. Die Entdeckung des Jahres 2025 ist Jonas Kurek aus Nonnenhorn am Bodensee (Weinanbaugebiet Württemberg). „Der Vater legte ihm den Betrieb vor der Übergabe mit Chardonnay und neuen Burgunderklonen schon zukunftsgerecht an, und nun macht der Junior in absolut überzeugender Manier das Beste daraus„, befand die Jury.
Mehr Name-Dropping (sehr viel mehr sogar) kann man bei der Kategorie Siegerweine des Jahres 2025 und den Gewinnern Gut und Günstig erleben. Das dann allerdings nicht hier, sondern nur im Original 😉
VINUM Weinguide Deutschland
Matthias F. Mangold, Harald Scholl
Intervinum AG, Zürich
Erscheinungsdatum: 05. November 2024
Format: 135 x 215 mm
1108 Seiten
Preis: 35,- Euro
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