Willkommen im Luftkurort Gohrisch ! steht – inklusive falschem Leerzeichen vor dem Ausrufezeichen – an der, wieder Originalton: Kraftomnibus-Haltestelle. Man kommt aber doch besser mit der eigenen Droschke, wenn man im Quartier 5 zu den Kochsternstunden möchte: sooo oft fahren die Busse hier ja auch nicht, vor allem nach Sonnenuntergang sieht es ganz mau aus. Der etwas albackene Eindruck verfliegt jedoch ganz schnell, wenn man etwas weiter die paar Stufen zum Quartier 5 hochgeht und dort hinein kommt: freundliche Begrüßung („Darf ich Ihnen die Jacken abnehmen?“), zum reservierten Tisch geleitet werden – das hat man ja nicht mehr oft, war aber sehr angenehm.
Seit 2020 hat der Landgasthof mit Hotel den neuen Namen – bis dahin kannte man es als Anna’s Hof. Das ist durchaus ein wichtiger Ort für Gohrisch: 1869 machte nämlich Adelbert Hauffe aus dem Erblehngericht den Anna’s Hof (zu Ehren seiner Frau so genannt…) und richtete das Haus zur Beherbergung von Sommergästen ein. Das war der Startschuss für den Tourismus in Gohrisch. Seit 2020 führt Uwe Henkenjohann nun das Haus – und hatte von Anfang an auch gehobene Gastronomie mit im Sinn. Und so nimmt das Haus in diesem Jahr erstmals an dem Wettbewerb teil und startet gleich recht ambitioniert mit einem 7-Gang-Menü, das sich ebenso spannend liest wie die dazu angebotene Weinbegleitung. Die Folge: keine(r) aus unserer kleinen Runde traute sich, auf den einen oder anderen Gang zu verzichten – man weiß ja nie, was man bei den ebenfalls angebotenen Varianten drei oder vier Gänge verpasst!
Diese Vorüberlegungen erwiesen sich im Nachhinein als völlig korrekt: kein Gang fiel gegenüber den anderen wirklich ab. Einziger Mäkelpunkt aus meiner Sicht: bei sieben Gängen sollte die Küche die Größe der Portionen anpassen. Aber das fällt ja – außerhalb der Sternegastronomie – den meisten Köchen schwer. Sie denken immer: wenn das der Hauptgang ist, muss da auch besonders viel auf dem Teller sein. Braucht aber zur späten Abendstunde kein Mensch, denn auch bei kleineren Portionen geht man nach sieben Gängen nicht hungrig raus, hat aber nicht das Gefühl, völlig genudelt zu sein. Und Schnaps ist ja auch keine Lösung, selbst wenn er Verdauungsschnaps heißt.
Dabei ging es doch richtig gut los: Zum Tatar von der Rathmanssdorfer Forelle gab es ein halbes gebackenes Ei – und im übrigen eine ganz vorzügliche rote Bete, eine tolle kleine Geschmacksbombe. Auch die Schaumsuppe von der Esskastanie war so portioniert, dass man genug am Gaumen hatte, auch genug zum Kombinieren mit hausgemachtem Hirschschinken und dem Birnen-Chutney. Alles prima! Zu den beiden Gängen tranken wir einen leichten Rosé (der eigentlich vorgesehene PetNat war gerade aus – am Nebentisch gab’s noch den letzten Schluck aus der letzten Flasche…) und einen 2021 Chardonnay Henneberg Leithaberg DAC, der aus nicht unbedingt nachvollziehbaren Gründen nicht in der angebotenen Weinbegleitung enthalten ist (die 7 € standen dann allerdings nicht auf der Rechnung). Nun gut: er ist etwas preisintensiver, aber hat dafür auch standing. Ausgebaut im großen Holzfass, aber mit durchaus schmeckbaren Holztönen. Wie fast immer bei Suppe: da brauche ich eigentlich keinen Wein, aber davor und danach passte er schon.
Weil zum folgenden Gang – einer getrüffelten Pasta – ein Sauvignon Blanc vom Kalterer See vorgesehen war, ließ ich ein Schlückchen vom Chardonnay im Glas: schlotzige Trüffelpasta und Sauvignon? Hm. Ein Blick auf das, was noch kommen sollte, brachte aber noch eine vielleicht bessere Variante ins Spiel: zum Fisch sollte es Müller-Thurgau von Martin Schwarz geben! Und der hat doch dieses gewisse Etwas an Cremigkeit, das passen könnte, einerseits. Und der SB zum Fisch: könnte doch auch passen. Wir fragten unsere Bedienung Philipp, der nickte nur kurz – und schon standen drei Glas Wein vor mir. Der Tausch erweis sich als perfekt, der Müller passte auch besser als der Chardonnay – schön, dass das Weinchen wechsle Dich möglich war!
Die Pasta, hausgemacht und vielleicht ein My zu sehr al dente, war ein Gang, der in positiver Erinnerung blieb. Sehr fein abgestimmt, sehr schlotzig, wohl proportioniert und von keinem zu viel oder zu wenig. Das ergab ein schönes Mundgefühl und ließ sich mit dem Schwarz-Müller (aus der Gutswein-Linie des VDP-Betriebs) gut umschmeicheln.
Vor dem, was sich als zwei Hauptgänge herausstellen sollte, gab es zusätzlich eine Kugel Zitronensorbet. Eine nette Geste, die viel zu selten gepflegt wird. Das Sorbet sollte wohl auch – wie beim klassischen Trou Normand – ein wenig Platz schaffen. Tat es auch, aber nicht genug: das (ein klitzeklein wenig zu lange) auf der Haut gebratene Filet vom Adlerfisch lag auf Risotto Venere – und das ist Vollkornreis. Schmeckt, aber ist auch nahrhaft! Was der Fisch zu viel, hatten die Schwarzwurzeln zu wenig: denen hätte etwas weniger Biss sicher gut zu Geschmack gestanden. Von den kleinen Meckereien abgesehen war das aber auch Dank des Schaums, der erfreulich reichlich angegossen war, ein merkenswerter Gang.
Zum zweiten Hauptgang gab’s Roastbeef aus Dürrröhrsdorf und zwei Getränke. Das eine ein Wein aus der Maremma, das andere ein Papststeiner 451 Winteredition. Das ist ein helles Lagerbier, benannt nach dem Papststein und dessen Höhe von 451 m und gebraut von einer kleinen böhmischen Privatbrauerei. Das Bier gibt’s nur auf dem Papststein und hier im Quartier – hat also was! Zusammen mit dem Wein verstanden wir aber das Konzept nicht – und obwohl der Sangiovese ein überraschend trinkfreudiger Vertreter seiner Art war, hätte ich ja nur das kleine Helle serviert (und das als passionierter Weintrinker)! So blieb’s bei einem Schluck vom Bier, weil der Wein schon gut angenippt war, als das Bier kam.
Es ist natürlich kein Zufall, dass es das Bier hier unten im Dorf und oben auf dem Papststein gibt: Uwe Henkenjohann betreibt dort schon lange die Berggaststätte und sorgte bei uns schon 2011 für Aha-Momente, weil es in einer Ausflugsgaststätte Essen mit Anspruch gab. Andernorts (siehe die Berichte von der Algarve) mag das selbstverständlich sein, hierzulande leider nicht. Und die dezenten Hinweise im Kochsternstunden-Menü auf die Herkunft (Forelle: Rathmannsdorf, Roastbeef: Dürrröhrsdorf, Ei: Struppen, Pasta und Hirschschinken: hausgemacht) zeugen davon, dass Regionaliät und Frische nicht nur Schlagworte sind.
Vor dem ersten (von zweien) Dessert trugen wir am Tisch ein wenig Bedenken vor uns her. Aber da irrten wir gewaltig: nicht alles, was Baumkuchen heißt, muss so sein wie befürchtet. Hier waren es viel Schokolade und Nougat, die uns schmeichelten – und Kumquats, geröstete karamellisierte Nüsse & Co sorgten für erfrischende bzw. knackige Ergänzung. Das war dann, nach der Pasta, der zweite Gang für das Archiv schöner Ess-Erinnerungen. Aber auch der Käse danach kratzte sich ins Gedächtnis ein: ein warmer Mont d´Or in der Feige serviert, dazu ein fröhliches Drumherum mit Kürbis-Chutney, Feigensenf, Walnuss und Brioche zum Käse-Tunken hinterließ einen guten Nachgeschmack.
Menü
- Forellentatar aus Rathmannsdorf
gebackenes Ei aus Struppen | Rote Bete | Gurke | Meerrettich - Schaumsuppe von der Esskastanie
Portwein | Birnen-Chutney | hausgemachter Hirschschinken - „Hausgemachte Pasta“
Getrüffelte Pasta | Kräuterseitlinge | Cognac | Parmigiano Reggiano - Auf der Haut gebratenes Filet vom Adlerfisch
Risotto Venere | Schwarzwurzel | Krustentierschaum - Gereiftes Roastbeef aus Dürrröhrsdorf
Selleriepüree | Wirsing-Kartoffel-Roulade | Buchenpilze | Jus - Baumkuchen
Schokolade | Haselnuss | Tonkabohne | Orange | Heidelbeere - Gratinierter Mont d´Or in der Feige
Kürbis-Chutney | Feigensenf | Brioche | Walnuss
Weinbegleitung
- zum Forellentatar
Pet Nat Brut Rosé 2022 | Petillant Naturel Pinot Noir | Burg Ravensburg | Baden | Deutschlandwar aus
statt dessen: 2023 Philipps Rosé, trocken, Philipp Kuhn, Pfalz - zur Pasta
2023 Sauvignon Blanc, Alto Agide DOC | Sauvignon Blanc | Erste & Neue | Kalterer See | Südtirol | Italien - zum Adlerfisch
2023 Müller-Thurgau | Martin Schwarz | Sachsen | Deutschland - zum Roastbeef
2021 Sangiovese La Focaie | Rocca di Montemasi | Maremma | Toskana | Italien
beim 7-Gang-Menü als Pairing mit Papststeiner 451 Winteredition - zum Baumkuchen
Beerenauslese 2021 | Grüner Veltlliner & Bouvier| Umathum | Burgenland | Österreich - zum Käse
Delaforce His Eminence’s Choice 10 Years Tawny Port
Preise
- 3-Gang Menü 46,00 € | mit Weinbegleitung 64,00 €
- 4-Gang Menü 54,00 € | mit Weinbegleitung 79,00 €
- 7-Gang Menü 89,00 € | mit Weinbegleitung & einem Bier 119,00 €
Sonntag bis Mittwoch inklusive einer Flasche Mineralwasser (2 Pers.) und einem Espresso.
[Besucht am 9. Februar 2025 | Zur Karte der hier besprochenen Restaurants in Dresden und Umgebung]Quartier 5
Neue Hauptstraße 118
01824 Gohrisch
Tel. +49 35021 599880
quartier-5.de
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Hinweis:
Die STIPvisiten sind Partner der Kochsternstunden.
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