Ich möchte diesen Berg erlebbar machen

Podcast "Auf ein Glas", Folge 142: Björn Probst, Schloss Proschwitz (Sachsen)

Björn Probst

In der 42. Folge des Podcasts „Auf ein Glas“ ist Björn Probst, der Weingutsleiter vom Weingut Schloss Proschwitz, zu Gast. Da er in der 95. Folge schon mal bei uns war, ist zur Person ja viel gesagt – kann man da nachhören –, aber aktuelle Themen gibt’s reichlich zu besprechen. Und nicht nur, weil wir diese Folge kurz vor den Eisheiligen aufgenommen haben, spielen Forstnächte im Gespräch eine große Rolle: der Aprilfrost 2024 mit Temperaturen bis -6,2 °C hat die Winzer im Elbtal fast alle getroffen. Die Ernte bei Proschwitz war auf etwa 25 % der üblichen Menge reduziert, bei Burgunder-Sorten waren es teils nur 10–15 %. Dass die wenigen geernteten Trauben aber qualitativ hochwertig waren, ist da ein Trost – wenn auch nur ein kleiner. Der von eigenen Weinbergen geerntete Elbling beispielsweise bringt als Gutswein klare Frucht und Struktur. Um die Ausfälle bei den Burgundersorten zu kompensieren, ging Schloss Proschwitz eine Kooperation mit dem VDP-Weingut Bercher in Baden ein.

Das Ergebnis ist die Linie „Die Eisheiligen“. Wir reden über die Idee, wieso es zur Kooperation kam – und welche bürokratische Hürden bis zum fertigen Wein den Beteiligten das Leben schwer gemacht haben. Weitere Themenschwerpunkte sind die Umstellung auf Bio-Anbau und was das mit sich bringt, zum Schluss wird’s sogar mit Gedanken zum Mindestlohn (und was das für das Gehaltsgefüge im Betrieb bedeutet) noch einmal nachdenklich-ernst. Während wir reden, probieren wir natürlich: zwei Weine aus dem Jahrgang 2023, beides VDP Erste Lagen. Der erste Riesling vom „Seußlitzer Closterberg“ überraschte: er ist spontan vergoren, komplex und eigenständig. „Ich möchte diesen Berg erlebbar machen“, sagt Björn Probst. „Wenn ich in dieses Glas reinrieche, rieche ich den Closterberg, wenn er feucht ist!“ Und zum ernsten Gespräch gab es einen ernsten Grauburgunder, der so gar nicht an dünne Pinot Grigios erinnert.

Podcast-WeineVerkostete Weine

  • Elbling 2024 (Gutswein, 13 €): Fruchtbetont, animierende Säure.
  • Weißburgunder „Eisheilige“ (Gutswein, 15 €): Schlank, mineralisch, mit Burkheimer Terroir.
  • Riesling Seußlitzer Klosterberg (Erste Lage, 21 €, bald 24,50 €): Komplex, spontan vergoren, eigenständig.
  • Grauburgunder Kloster Heilig Kreuz (Erste Lage, 21 €, bald 24,50 €): Vollmundig, mit Holznote.

Und hier der rote Faden durchs Gespräch

  • 00:58 zu Gast: Björn Probst, Schloss Proschwitz
    Tankprobe im Glas: 2024 Elbling
    it was 380 days ago: Minustemperaturen bis zu minus 6,2 Grad
    aber bis auf eine Parzelle sind alle Weinberge wiedergekommen – und ein bisschen haben sie getragen
    2024 ist ein extrem kleiner Jahrgang (weniger als 25% geerntet)
    aber was wir geerntet haben: das macht Spaß!
    Elbling und Goldriesling haben’s am besten geschafft, Burgunder quasi gar nicht
    deswegen Kooperstion mit dem VDP-Weingut bercher (Baden) eingegangen
    Baldrianblütenextrakt
    sie arbeiten biologisch…
    2024 wäre der erste Jahrgang nach der Umstellungsphase gewesen, aber da dort wegen der geringen Menge oft mit 23er cuvetiert wird, steht’s noch nicht drauf
    aber der Elbling im Glas es ist biologisch erzeugter Wein – nur ohne Zertifikat drauf
    Grundeinstellung: den Wein besser machen. Da spielt das Label keine Rolle, ist nur Zusatznutzen
    Baldrianblütenextrakt: hochwertiges Mittel
    das klingt alles nicht nur bio, sondern biodynamisch?
    wir gehen weit über das hinaus, was wir erfüllen müssten für bio
    die Rebe so vital und gesund ins Rennen schicken wie es irgendwie geht
    wir nutzen Dinge aus dem Steinerschen Kosmos
    aber es ist ein Prozess, die Leute dorthin zu bringen
    er beschäftigt sich seit über 25 Jahren
    wir machen Bio plus
    was zählt, ist das Ergebnis: die Weine sind ausdrucksstark, auch im Gutsweinbereich klare, rebsortenreine Weine
    die Weine mach ich im Weinberg, nicht im Keller!
    Stichwort „es ist grün“: es blüht so bunt zwischen den Zeilen
    Mischung mit etwa 50 verschiedenen Kräutern
    Ziel ist, dass sie (nach ein paar Jahren) selber wieder aussamen
    da, wo sie sich am wohlsten fühlen, sollen sie sich festkrallen…
    Erosionsschutz bei starken Niederschlägen
    auch Durchwurzelung klappt besser: Begrünung arbeitet vor, Rebe wurzelt nach
    Lockerer Boden für Wasserspeicherung und um Platz zu schaffen
    wie tief wurzeln eigentlich die Reben?
    die wurzelechten würden tiefer wurzeln…
    die zugelassenen Unterlagen waren keine Tiefwurzler
    die Mykorrhiza
    wer oder was ist Mykorrhiza?
    eine große Hausgemeinschaft Pilz und Rebe
  • 16:14 die Elbling-Gläser sind leer…
    Elbling: älteste Kulturrebsorte in D
    früher Hauptrebsorte an der Mosel
    heute hauptsächlich an der Saar und der Obermosel Richtung Luxemburg, oft Sektgrundwein
    „ich halte die Sorte für völlig unterschätzt“
    angenehme Frucht, klare Säure
    schöner animierender Wein, gerade im Sommer
    in Sachsen hat sich die Rebe gehalten, eine handvoll Betriebe machen Wein draus
    Proschwitz hat 7,5 ha davon
    24 ist ein kleiner Jahrgang, aber ein feiner
    wird ein Gutswein – wir machen eh Gutsweine mit Anspruch und keine Ortsweine mehr
    Wein braucht auch Zeit, sich zu entwickelt
    die später gefüllten Weine sind strukturierter und schöner
    ich nenne es Gutswein Plus, was wir machen
    wir machen keinen Ortswein mehr
    Gutsweine klar im Edelstahl ausgebaut
    prägender Faktor sind die Trauben, die Reife der Trauben, die auf die Kelter kommen
    der VDP und seine Pyramide
    wir haben ja nur zwei Fraktionen an Grundbodenstrukturen
    der VDP kommt aus einer Rieslings-Qualitäts-Pyramide
    wir haben 15 verschiedene Rebsorten im Betrieb!
    eine neue Linie kommt raus: unexpected – unerwartet
    aber ansonsten machen wir Gutswein – Erste Lage – Große Lage
    Großes Gewächs gibt’s Weißburgunder, Grauburgunder, Spätburgunder – aber nur in guten Jahren, wenn’s funktioniert
    …und demnächst das erste Riesling GG aus Zadel, einem der ältesten Weinberge in Sachsen überhaupt
    wie immer bei GG: ab 1. September
    Zadel gehört zur GG-Lage Schloss Proschwitz
    die viel zu groß geratene Große Lage (von Proschwitz bis Seußlitz)
    eine Besonderheit der Nachwendezeit – aber nicht so genutzt
    die 1,6-ha-Ecke in Seußlitz rausgenommen, ist jetzt 1. Lage Seußlitzer Closterberg
    der Riegel von Proschwitz bis Zadel ist vom Boden her sehr einheitlich
    gibt’s die alten Gewann-Namen noch?
    Datengrundlage ist extrem dünn für alte Namen
  • 26:08 jetzt haben wir ein ganz neues Gewann 😉 …
    wir mussten (nach dem Aprilfrost 24) über den Tellerrand gucken
    Zukauf bei VDP-Kollegen: den VDP gefragt!
    das war dann in Baden beim Weingut Bercher 
    Weiß-, Grau-, Spätburgunder
    Logistik für Transport nach Sachsen stand. Aber dann kam das Weinrecht in seinen regionalen Facetten
    Freistaat Sachsen hatte Genehmigung gegeben
    das Problem:
    jaaa: ihr habt Ausnahmegenehmigung, könnt ihr machen. Aber es gibt keinen Weg zurück. Also: keinen, der den Qualitätswein prüft. Die Badener weigern sich, die Sachsen dürfen’s nicht
    also: was in Baden suchen für den Ausbau
    im Kleingebindekeller des Badischen Winzerkellers einen Keller auf Zeit bekommen
    und der Rotwein?
    Burkheimer Spätburgunder gekauft, reift in Proschwitz
    das klingt nach viel Verwaltungskram…
    Logistik ist Aufwand, aber es geht.
    die Gesetzestexte sind komplex und schwierig
  • 33:05 wir haben eine Lösung gefunden, die ist jetzt im Glas: Weißburgunder, 100% handgelesen
    es sind aber auch gute Kontakte entstanden!
    unter Winzerkollegen war Akzeptanz/Hilfsbereitschaft extrem groß
    man erkennt das Besondere auf der Flasche
    natürlich am Namen: Die Eisheiligen
    in der Weinhaus-Linie
    hinten drauf ein kleiner erklärender Text
    Weißburgunder und Baden steht auch drauf
    ein sächsischer Wein aus Baden
    Akzeptanz bei Privatkunden ist extrem hoch
    erinnert er den Weingutsleiter an die sächsichen Burgunder? – Jein!
    schlank, mineralisch, trocken – als Essensbegleiter konzipiert. Wie in Sachsen
    es drückt sich aber das Burkheimer Terroir, das Baden durch
    preislich liegt er im gewohnten Gefüge
    mehr Arbeit hier im Weinberg und durchs Hin-und-her – aber gleiche Preise
    fertigen Wein zu kaufen wäre günstiger gewesen. Aber nicht besser!
    Thema Förderung für die vom Frost Betroffenen
    Danke, dass wir was bekommen haben – aber eigentlich…
    Neben dem Weißburgunder auch Grauburgunder und ein Rosé aus Spätburgunder
    wenn der Winzer sagt: das ist too much – und der Kunde es liebt!
    Weingut Bercher ist eins der am bestbewertesten Burgunderweingüter in D
  • 45:02 jetzt wird’s spannend: im Glas ist der erste offizielle Seußlitzer Closterbergwein – ein Riesling
    (UVS war am letzten Erntetag dabei)
    Teilpartie ist maischevergoren und spontan angegoren
    das ist wild und eigenwillig gemacht
    da soll man sich dran reiben!
    es ist kein typischer Riesling
    das Untypische ist, was dem UVS gefällt
    auf der Mainzer Weinbörse kam Fachpublikum nur wegen der Rieslinge zu den Sachsen
    das GG aus Zadel wird ganz anders – aber hochspannend
    ich mag eine klare Betriebsstilistik
    ich möchte diesen Berg erlebbar machen
    wenn wir Reinzuchthefen nehmen, dann die ursprünglichen (ohne Aromenzusatz)
    mal sehen, wie er reift: eine Palette liegt schon quasi versiegelt bereit…
    …für ein Projekt, das erst in ein paar Jahren startet
    zu Wackerbarth: das sollte man auch mal sagen: wir sind im Wettbewerb, aber wir verstehen uns gut!
  • 56:01 zum Preisgefüge
    Elbling/Goldriesling als Entrée 13 €
    WB Gutswein 15 €u
    Riesling 1. Lage bei 24,50 € (sonst 1. Lage um 21 €)
    Thematik Mindestlohn 15 €
    die Unterstützung rumänischer Mitarbeiter (seit Jahren) – die wundern sich
    das nimmt das Gehaltsgefüge auseinander
    Saisonarbeitskräfte nehmen das (fast) steuerfrei mit nach Hause
    die festen MA sind sozialversicherungspflichtig – und bekommen daher am Ende weniger als die Saisonkräfte – was sie nicht gut finden
  • 01:01:14 Schnitt: zum Wein! Wir bräuchten ein größeres Glas
    Wein von der anderen Elbseite
    auch 1.Lage: ein Grauburgunder
    Kloster Heilig Kreuz – der Teil, der schon länger biologische bewirtschaftet wird
    hauptsächlich um Jesseritz (Miniort mit 7 Häusern)
    zwei Hügelketten, auf einer steht nur Graubrugunder (4,2 ha am Stükc)
    das ist ein Grauburgunder, kein Pinot Grigio 😉
    auf Messen heißt es immer wieder: Grauburgunder? Och nöö
    die Pinotgrigiosierung des GB
    merkliche, aber eingebundene Holznote (eher untypisch für Proschwitz GB)
    erste Partie im neuen großen Holzfass (1.200 l)
    war auch mengenmäßig gut, das hilft für den kleinen 24er

Schloss Proschwitz
Heiliger Grund 2
01662 Meißen OT Proschwitz

Tel. +49 3521 / 40 60 0
www.schloss-proschwitz.de

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Auf ein Glas – der Podcast der STIPvisiten. Gespräche beim Wein. Über Wein. Über Essen. Und übers Leben, natürlich.

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