Nichts für Anfänger steht auf der Webseite, und an der Halle mit dem Logo des Weinguts identifiziert sich der Winzer als Genussverfechter. Ich bin in Retzstadt, knapp 14 km nördlich von Würzburg. Hier macht die Familie von Rudolf May seit 1998 Wein. „Wer hätte gedacht, dass Retzstadt der Ursprung gnadenlos ehrlicher Weine sein kann – dass hier die Herausforderung liegt, das Wort Terroir mit neuer Bedeutung zu belegen?“, lese ich auf der Webseite. Und Rudolf May, der lange Schlanke mit dem unverwechselbaren Timbre in der Stimme, fasst die Betriebsphilosophie so zusammen: „Man kann nur aus guten Trauben einen tollen Wein machen. Aus schlechten Trauben kann man einen trinkbaren Wein machen – aber keinen guten!“ Kurze Pause und ein feiner Nachschlag: „Was schon geht: aus guten Trauben einen schlechten Wein machen.“ Aber das sei nun so gar nicht ihr Anspruch…
Rudolf May und seine Frau Petra haben das Weingut von bescheidenen Anfängen zur bundesdeutschen Spitze geführt. Der Vater betrieb noch den Bauernhof in Retzstadt nördlich von Würzburg als Gemischtbetrieb mit Ackerbau, Viehzucht und 1,5 Hektar Reben. Heute sind es 16 Hektar reines Weingut – auf 13 davon steht Silvaner, was selbst im Silvanerland Franken in dieser Ausprägung selten ist. Aber was hätte er denn tun sollen bei diesem Terroir – vorwiegend Muschelkalk in steilen Südwesthängen? Das prägt die Weine, und die Vorliebe für alte Reben – 9,5 Hektar sind mit über 40 Jahre alten Reben bestockt – sind ein weiterer Schlüssel zur Qualität. Und selbst beim Chardonnay, der relativ neu im Betrieb ist, sind es alte Reben – die Umveredelung von Portugieser, Scheurebe, Riesling und Traminer macht’s möglich, dass ein neuer 2021er Chardonnay von 1968er Reben stammt…
Im Keller herrscht bei Rudolf May Minimalismus: Keine zugesetzten Hefen, Enzyme oder Schönungsmittel; Schwefel ist sparsam dosiert. Seit 2013 setzt Rudolf May auch bei den großen Holzfässern auf Regionalität: Eichen aus dem Spessart, hergestellt von der Büttnerei Aßmann im 20 Minuten entfernten Eußenheim.
Die Aufnahmen zu diesem Podcast entstanden an zwei Tagen: Im Juni besuchte ich mit Kolleg*innen den Winzer im Rahmen einer Pressereise des Deutschen Weininstituts (DWI) zum Thema Burgunderwunder auf seinem Weingut in Retzstadt – das ist Teil zwei dieser Folge (mit Warnung: kann Spuren von Raumgeräuschen enthalten), in der es hauptsächlich um Burgunder geht. Auch dabei ist der Junior Benedikt May. Teil eins entstand beim Gegenbesuch in Dresden: Rudolf May war da zusammen mit Winzer-Kolleg*innen der Winzergruppe Die Güter in der WeinKulturBar zu Gast. Die Güter ist eine Gruppierung von neun privat geführten Spitzenweingütern aus Deutschland, bei der die Mays das jüngste Mitglied sind (die Webseite hat’s noch nicht geschafft, das darzustellen 😉 ). Spontan setzten Rudolf May und ich uns für ein halbes Stündchen raus vor die Weinbar und sprachen miteinander.
- 2024 Silvaner Langenberg Alte Reben VDP.ERSTES GEWÄCHS (in Dresden)
- 2014 Weißburgunder Retzstadt, VDP.ORTSWEIN
2021 Weißburgunder Retzstadt, VDP.ORTSWEIN - 2023 Chardonnay Retzbach, Alte Reben, VDP.ORTSWEIN (Magnum)
2021 Chardonnay Retzbach, Alte Reben, VDP.ORTSWEIN (Magnum) - 2020 Silvaner Der Schäfer Reserve 1G VDP.ERSTE LAGE
- 2020 Spätburgunder Benediktusberg 1G® VDP.ERSTE LAGE
2013 Spätburgunder Benediktusberg 1G® VDP.ERSTE LAGE - 2020 Retzstadter Langenberg, Silvaner Brut Nature, VDP.Sekt Prestige
Das ist der rote Faden durch die beiden Gesprächsteile
- 00:36 Rudolf May in der Wein KulturBar
Die Güter
Mitglied Nr. 9: Weingut May
Silvaner ist unsere Identität
Rudolf May ist die erste Generation – aber vorher gab’s den Bauernhof in Retzstadt
1998 das Weingut in der heutigen Form gebaut
Vater hatte Ackerbau & Viehzucht – und 1,5 ha Wein
Vater lieferte an die Genossenschaft („damals gab’s gutes Geld!“) – wie bei uns alle, es gab 40 Bauern
die Idee für die Landwirte war: vielschichtig aufgestellt zu sein, um gegen Krisen in einem Bereich gewapnnet zu sein
als der kleine Rudi 13 war, meinte der Vater aber: es wäre gut, wenn Du Winzer lernst!
mit dem Beruf kam dann aber auch schnell die Berufung
mittlerweile bewirtschaften sie 16 ha
ein klassischer Familienbetrieb mit seiner Frau Petra, Sohn Benedikt ist auch bereits mit dabei
Silvaner-Anteil liegt bei knapp 80 Prozent
Weingut mit einem der höchsten (oder gar dem höchsten) Silvaneranteil
im Schnitt sind es 30 Prozent in Franken, Tendenz aber steigend
wie schafft man es, vom einfachen Kleinbetrieb zum Spitzenweingut zu werden? Terroir? Oder Mensch? Oder?
es war ein schleichender Prozess: Weinbautechniker gemacht und einen sehr guten Lehrer gehabt! Bei aktiven Proben merkte er: es gibt als die GWF-Weine!
Ich war kein Schnellstarter!
beim Zukauf auf Top-Lagen mit alten Reben verlegt
Alte Reben sind 40 Jahre und älter bei ihnen, und das sind 9,5 ha bei ihnen
da kommt der Service und bringt uns Flammkuchen!
…und im Glas ist ein Silvaner Alte Reben, Erstes Gewächs
vielleicht der wichtigste Wein bei uns
wir haben viele kleine Weinberge, Südwest-Hänge, Muschelkalk, steil
ausgebaut im großen Holzfass
im VDP seit 2014
Sandra Knoll (Weingut am Stein) hatte ihn bei einer Präsentation gefragt: Warum bist Du eigentlich nicht im VDP?
das macht sich bemerkbar vor allem bei Großen Gewächsen…
für uns war’s gut – und für den VDP Franken war’s auch ganz gut
wir bemühen uns, ein gutes Mitglied zu sein! - 07:42 Erinnerung an Dreier-Burgunder-Probe…
genau, mit Weingut Höfling und Christine Pröstler
da kam auch der Benedikt dazu. Ein Eineiiger Klon vom Vater, möchte man meinen…
„aber er ist kleiner als ich!“ – körperlich. Vinophil: gute Ausbildung genossen
in der Pfalz, an der Saar, im Beaujolais, in Australien, in der Steiermark
er versteht Wein, hat ähnliche Ansichten – auch wenn wir nicht immer gleicher Meinung sind
er will im Topp-Bereich mehr machen: das gefällt mir sehr gut!
Benny versteht was Sache ist
Weinbergsarbeit machen wir schon einige Jahre akribisch
aber wir haben im Top-Wein-Bereich Lagen dazu genommen
Himmelspfad vergrößert,
Rothlauf Flächen vergrößert
dito Benediktusberg
man kann nur aus guten Trauben einen tollen Wein machen!
aus schlechten Trauben kann man einen trinkbaren Wein machen – aber keinen guten.
was schon geht: aus guten Trauben einen schlechten Wein machen…
im Weinberg ist hohe Arbeitsintensität
wir haben viele Steillagen
steil ist für mich über 50% bis zu 70 %
im Keller arbeiten sie minimalistisch – ohne Reinzuchthefen, ohne Enzyme, ohne Schönungsmittel
unser Ziel ist: den Boden spürbar machen im Wein
welche Rolle spielt das Fass?
2013 mit Holzfässern begonnen
große Holzfässer (Stückfass, Doppelstückfass)
die Weine liegen üblicherweise 9 Monta eim Holz
Thema Betonei
2012 angeschafft
er hat’s in Südfrankreich kennen gelernt
Betonei ist schon cool…
es geht auch Sauerstoff durch – weniger als beim Holz
Holzfässer mit Holz aus dem Spessart
was passiert innen im Betonei?
nicht viel, nur im ersten Jahr pH-Wert-Angleichung
Burgunder: sind die im Kommen, sind die wichtig?
wir brauchen es und wollen es
aktuell haben wir Weißburgunder, Grauburgunder, Chardonnay & Spätburgunder
langfristig Konzentration auf Spätburgunder & Chardonnay
3 ha SB/CH, Chardonnay intensiviert
…nur von alten Reben, sie haben umveredelt
da standen vorher Portugieser, Scheurebe, Riesling, Traminer
wir trinken gerne Riesling, wollen aber Silvaner und Burgunder im Betrieb!
nochmal zu den Gütern
familiengeführt und nur ein Weingut pro Weinbaugebiet
wir sind das jüngste Mitglied, seit Mai dabei - 18:01 TEIL 2 im Weingut
ich bin der Rudolf May…
wie ist das mit dem Trias?
Wellenkalk bei Retzstadt : besonders elegante Weine
Christine Pröstler über Muschelkalk
Rudolf May Vorstellung
das Thema ist: Burgunderwunder
Weißburgunder
der Silvaner unter den Burgundern - im Glas der Ortswein: 2014 und 2021 zum Vergleich
auf Muschelkalk gewachsen
wir arbeiten seit 2015 biologisch
wir lesen mit der Hand in die kleinen roten Kisten
sortiert auf Sortierband, gequetscht und gekeltert
der 21er war komplett im Holz (Stückfass)
wir sind ein Silvanerweingut, vom Weißburgunder 0,4 ha nur – reicht für ein Stückfass
Ziel ist 80% Silvaner, 20% Burgunder (SB/CH)
aus der Schatzkiste der 2014er WB, auch Ortswein-Kategorie
überweigend im Stahltank ausgebaut
bisschen gereifte Sachen gehen auch im mittleren Segment!
der Muschelkalk ist das Geheimnis – „der ist hier ganz fein“
keine Touristengegend – aber ein karger Boden für geile Weine - 26:42 im Glas: Chardonnay
im Benediktusberg 6 ha Rebfläche Topp-Lage
2017 Scheurebe gekauft, alte Reben von 1968 – aber „wir konnten mit Scheurebe nichts anfangen“: umveredelt auf Chardonnay
daher: Chardonnay Alte Reben
2021 erste Ernte – und 2023
im kleinen Fass ausgebaut, französische Eiche
übers Umveredeln (55 Jahre alte Reben: nicht einfach…)
die Mexikaner kommen …
wir zahlen pro Rebstock 2,50 EU
21 war ein kühles Jahr, 23 ein sensationelles Jahr…
das ist Premium (kostet 50 Eu)
Klappt das Umveredeln?
90% garantieren sie – aber entscheidend ist die Qualität des Pflanzguts
erste Ernte dann im nächsten Jahr oder spätestens im zweiten – das aber gleich „als alte Reben“!
wir stellen auf Kordon-Erziehung um
Benedikt sagt: wir wollen rieslingfrei werden
unser Mittelpunkt ist Silvaner! - 34:12 im Glas: Silvaner Der Schäfer
50 Jahre alte Reben auf 1,5 ha in bester (erster) Lage
der Schäfer ist Top-Erstes-Gewächs
ausgebaut in Stückfässern „vom Assmann“ (Spessard-Eiche, natürlich)
der Schäfer hat das neue Doppelstückfass weingrün gemacht
das ist unser Burgunder-Silvaner
der Wellenkalk ist der untere Muschelkalk – und der bringt feine Weine hervor
gehen die Wurzeln so weit runter?
„der Wellenkalk ist knüppelhart, da geht nichts durch!“
im Keller machen wir das gepflegte Nichtstun: alles spontan vergoren
wir kühlen nicht bei der Gärung, die dürfen so warm werden wie sie wollen
es soll ja durchgären bis in die Nähe von Null oder ein Gramm - 39:16 Benedikt May und die Spätburgunder
Benedikt ist seit sechs Jahren im Betrieb
Spätburgunder ist zweitwichtigste Rebsorte
im Glas Benediktusberg, unser großer Spätburgunder
Weinberg ca 30 jahre alt, mit guten Klonen
Wahl der Klone: Paul Fürst hat sie da beraten
im anderen Glas gereift vom Jahrgang 2013
unsere Weine sind in der Jugend nicht ganz so leicht
wir lesen extrem früh, sind immer mit die ersten
wir wollen Frische, nicht das Marmeladige
aber die physiologische Reife ist da?!?
Champagne-Erfahrung: das wird „im gnadenlos unreifen Zustand geerntet“
was ist physiologische Reife? Das wird viel zu hoch gehängt!
Weingut Rudolf May
Im Eberstal 1
97282 Retzstadt
Tel. +49 9364 5760
weingut-may.de
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Hinweis:
Die Recherchen zu diesem Beitrag wurden unterstützt mit einer Pressereise auf Einladung des DWI (Deutsches Weininstitut).
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Auf ein Glas – der Podcast der STIPvisiten. Gespräche beim Wein. Über Wein. Über Essen. Und übers Leben, natürlich.
Alle Folgen unter diesem Link: podcast.stipvisiten.de
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