Unser Mittelpunkt ist der Silvaner

Auf ein Glas, Folge 155: Rudolf und Benedikt May, Retzbach (Franken)

Rudolf und Benedikt May

Nichts für Anfänger steht auf der Webseite, und an der Halle mit dem Logo des Weinguts identifiziert sich der Winzer als Genussverfechter. Ich bin in Retzstadt, knapp 14 km nördlich von Würzburg. Hier macht die Familie von Rudolf May seit 1998 Wein. „Wer hätte gedacht, dass Retzstadt der Ursprung gnadenlos ehrlicher Weine sein kann – dass hier die Herausforderung liegt, das Wort Terroir mit neuer Bedeutung zu belegen?“, lese ich auf der Webseite. Und Rudolf May, der lange Schlanke mit dem unverwechselbaren Timbre in der Stimme, fasst die Betriebsphilosophie so zusammen: „Man kann nur aus guten Trauben einen tollen Wein machen. Aus schlechten Trauben kann man einen trinkbaren Wein machen – aber keinen guten!“ Kurze Pause und ein feiner Nachschlag: „Was schon geht: aus guten Trauben einen schlechten Wein machen.“ Aber das sei nun so gar nicht ihr Anspruch…

Rudolf May und seine Frau Petra haben das Weingut von bescheidenen Anfängen zur bundesdeutschen Spitze geführt. Der Vater betrieb noch den Bauernhof in Retzstadt nördlich von Würzburg als Gemischtbetrieb mit Ackerbau, Viehzucht und 1,5 Hektar Reben. Heute sind es 16 Hektar reines Weingut – auf 13 davon steht Silvaner, was selbst im Silvanerland Franken in dieser Ausprägung selten ist. Aber was hätte er denn tun sollen bei diesem Terroir – vorwiegend Muschelkalk in steilen Südwesthängen? Das prägt die Weine, und die Vorliebe für alte Reben – 9,5 Hektar sind mit über 40 Jahre alten Reben bestockt – sind ein weiterer Schlüssel zur Qualität. Und selbst beim Chardonnay, der relativ neu im Betrieb ist, sind es alte Reben – die Umveredelung von Portugieser, Scheurebe, Riesling und Traminer macht’s möglich, dass ein neuer 2021er Chardonnay von 1968er Reben stammt…

Im Keller herrscht bei Rudolf May Minimalismus: Keine zugesetzten Hefen, Enzyme oder Schönungsmittel; Schwefel ist sparsam dosiert. Seit 2013 setzt Rudolf May auch bei den großen Holzfässern auf Regionalität: Eichen aus dem Spessart, hergestellt von der Büttnerei Aßmann im 20 Minuten entfernten Eußenheim.

Die Aufnahmen zu diesem Podcast entstanden an zwei Tagen: Im Juni besuchte ich mit Kolleg*innen den Winzer im Rahmen einer Pressereise des Deutschen Weininstituts (DWI) zum Thema Burgunderwunder auf seinem Weingut in Retzstadt – das ist Teil zwei dieser Folge (mit Warnung: kann Spuren von Raumgeräuschen enthalten), in der es hauptsächlich um Burgunder geht. Auch dabei ist der Junior Benedikt May. Teil eins entstand beim Gegenbesuch in Dresden: Rudolf May war da zusammen mit Winzer-Kolleg*innen der Winzergruppe Die Güter in der WeinKulturBar zu Gast. Die Güter ist eine Gruppierung von neun privat geführten Spitzenweingütern aus Deutschland, bei der die Mays das jüngste Mitglied sind (die Webseite hat’s noch nicht geschafft, das darzustellen 😉 ). Spontan setzten Rudolf May und ich uns für ein halbes Stündchen raus vor die Weinbar und sprachen miteinander.

Im Fass: der SchäferDie probierten Weine

  • 2024 Silvaner Langenberg Alte Reben VDP.ERSTES GEWÄCHS (in Dresden)
  • 2014 Weißburgunder Retzstadt, VDP.ORTSWEIN
    2021 Weißburgunder Retzstadt, VDP.ORTSWEIN
  • 2023 Chardonnay Retzbach, Alte Reben, VDP.ORTSWEIN (Magnum)
    2021 Chardonnay Retzbach, Alte Reben, VDP.ORTSWEIN (Magnum)
  • 2020 Silvaner Der Schäfer Reserve 1G VDP.ERSTE LAGE
  • 2020 Spätburgunder Benediktusberg 1G® VDP.ERSTE LAGE
    2013 Spätburgunder Benediktusberg 1G® VDP.ERSTE LAGE
  • 2020 Retzstadter Langenberg, Silvaner Brut Nature, VDP.Sekt Prestige

Das ist der rote Faden durch die beiden Gesprächsteile

  • 00:36 Rudolf May in der Wein KulturBar
    Die Güter
    Mitglied Nr. 9: Weingut May
    Silvaner ist unsere Identität
    Rudolf May ist die erste Generation – aber vorher gab’s den Bauernhof in Retzstadt
    1998 das Weingut in der heutigen Form gebaut
    Vater hatte Ackerbau & Viehzucht – und 1,5 ha Wein
    Vater lieferte an die Genossenschaft („damals gab’s gutes Geld!“) – wie bei uns alle, es gab 40 Bauern
    die Idee für die Landwirte war: vielschichtig aufgestellt zu sein, um gegen Krisen in einem Bereich gewapnnet zu sein
    als der kleine Rudi 13 war, meinte der Vater aber: es wäre gut, wenn Du Winzer lernst!
    mit dem Beruf kam dann aber auch schnell die Berufung
    mittlerweile bewirtschaften sie 16 ha
    ein klassischer Familienbetrieb mit seiner Frau Petra, Sohn Benedikt ist auch bereits mit dabei
    Silvaner-Anteil liegt bei knapp 80 Prozent
    Weingut mit einem der höchsten (oder gar dem höchsten) Silvaneranteil
    im Schnitt sind es 30 Prozent in Franken, Tendenz aber steigend
    wie schafft man es, vom einfachen Kleinbetrieb zum Spitzenweingut zu werden? Terroir? Oder Mensch? Oder?
    es war ein schleichender Prozess: Weinbautechniker gemacht und einen sehr guten Lehrer gehabt! Bei aktiven Proben merkte er: es gibt als die GWF-Weine!
    Ich war kein Schnellstarter!
    beim Zukauf auf Top-Lagen mit alten Reben verlegt
    Alte Reben sind 40 Jahre und älter bei ihnen, und das sind 9,5 ha bei ihnen
    da kommt der Service und bringt uns Flammkuchen!
    …und im Glas ist ein Silvaner Alte Reben, Erstes Gewächs
    vielleicht der wichtigste Wein bei uns
    wir haben viele kleine Weinberge, Südwest-Hänge, Muschelkalk, steil
    ausgebaut im großen Holzfass
    im VDP seit 2014
    Sandra Knoll (Weingut am Stein) hatte ihn bei einer Präsentation gefragt: Warum bist Du eigentlich nicht im VDP?
    das macht sich bemerkbar vor allem bei Großen Gewächsen…
    für uns war’s gut – und für den VDP Franken war’s auch ganz gut
    wir bemühen uns, ein gutes Mitglied zu sein!
  • 07:42 Erinnerung an Dreier-Burgunder-Probe…
    genau, mit Weingut Höfling und Christine Pröstler
    da kam auch der Benedikt dazu. Ein Eineiiger Klon vom Vater, möchte man meinen…
    „aber er ist kleiner als ich!“ – körperlich. Vinophil: gute Ausbildung genossen
    in der Pfalz, an der Saar, im Beaujolais, in Australien, in der Steiermark
    er versteht Wein, hat ähnliche Ansichten – auch wenn wir nicht immer gleicher Meinung sind
    er will im Topp-Bereich mehr machen: das gefällt mir sehr gut!
    Benny versteht was Sache ist
    Weinbergsarbeit machen wir schon einige Jahre akribisch
    aber wir haben im Top-Wein-Bereich Lagen dazu genommen
    Himmelspfad vergrößert,
    Rothlauf Flächen vergrößert
    dito Benediktusberg
    man kann nur aus guten Trauben einen tollen Wein machen!
    aus schlechten Trauben kann man einen trinkbaren Wein machen – aber keinen guten.
    was schon geht: aus guten Trauben einen schlechten Wein machen…
    im Weinberg ist hohe Arbeitsintensität
    wir haben viele Steillagen
    steil ist für mich über 50% bis zu 70 %
    im Keller arbeiten sie minimalistisch – ohne Reinzuchthefen, ohne Enzyme, ohne Schönungsmittel
    unser Ziel ist: den Boden spürbar machen im Wein
    welche Rolle spielt das Fass?
    2013 mit Holzfässern begonnen
    große Holzfässer (Stückfass, Doppelstückfass)
    die Weine liegen üblicherweise 9 Monta eim Holz
    Thema Betonei
    2012 angeschafft
    er hat’s in Südfrankreich kennen gelernt
    Betonei ist schon cool…
    es geht auch Sauerstoff durch – weniger als beim Holz
    Holzfässer mit Holz aus dem Spessart
    was passiert innen im Betonei?
    nicht viel, nur im ersten Jahr pH-Wert-Angleichung
    Burgunder: sind die im Kommen, sind die wichtig?
    wir brauchen es und wollen es
    aktuell haben wir Weißburgunder, Grauburgunder, Chardonnay & Spätburgunder
    langfristig Konzentration auf Spätburgunder & Chardonnay
    3 ha SB/CH, Chardonnay intensiviert
    …nur von alten Reben, sie haben umveredelt
    da standen vorher Portugieser, Scheurebe, Riesling, Traminer
    wir trinken gerne Riesling, wollen aber Silvaner und Burgunder im Betrieb!
    nochmal zu den Gütern
    familiengeführt und nur ein Weingut pro Weinbaugebiet
    wir sind das jüngste Mitglied, seit Mai dabei
  • 18:01 TEIL 2 im Weingut
    ich bin der Rudolf May…
    wie ist das mit dem Trias?
    Wellenkalk bei Retzstadt : besonders elegante Weine
    Christine Pröstler über Muschelkalk
    Rudolf May Vorstellung
    das Thema ist: Burgunderwunder
    Weißburgunder
    der Silvaner unter den Burgundern
  • im Glas der Ortswein: 2014 und 2021 zum Vergleich
    auf Muschelkalk gewachsen
    wir arbeiten seit 2015 biologisch
    wir lesen mit der Hand in die kleinen roten Kisten
    sortiert auf Sortierband, gequetscht und gekeltert
    der 21er war komplett im Holz (Stückfass)
    wir sind ein Silvanerweingut, vom Weißburgunder 0,4 ha nur – reicht für ein Stückfass
    Ziel ist 80% Silvaner, 20% Burgunder (SB/CH)
    aus der Schatzkiste der 2014er WB, auch Ortswein-Kategorie
    überweigend im Stahltank ausgebaut
    bisschen gereifte Sachen gehen auch im mittleren Segment!
    der Muschelkalk ist das Geheimnis – „der ist hier ganz fein“
    keine Touristengegend – aber ein karger Boden für geile Weine
  • 26:42 im Glas: Chardonnay
    im Benediktusberg 6 ha Rebfläche  Topp-Lage
    2017 Scheurebe gekauft, alte Reben von 1968 – aber „wir konnten mit Scheurebe nichts anfangen“: umveredelt auf Chardonnay
    daher: Chardonnay Alte Reben
    2021 erste Ernte – und 2023
    im kleinen Fass ausgebaut, französische Eiche
    übers Umveredeln (55 Jahre alte Reben: nicht einfach…)
    die Mexikaner kommen …
    wir zahlen pro Rebstock 2,50 EU
    21 war ein kühles Jahr, 23 ein sensationelles Jahr…
    das ist Premium (kostet 50 Eu)
    Klappt das Umveredeln?
    90% garantieren sie – aber entscheidend ist die Qualität des Pflanzguts
    erste Ernte dann im nächsten Jahr oder spätestens im zweiten – das aber gleich „als alte Reben“!
    wir stellen auf Kordon-Erziehung um
    Benedikt sagt: wir wollen rieslingfrei werden
    unser Mittelpunkt ist Silvaner!
  • 34:12 im Glas: Silvaner Der Schäfer
    50 Jahre alte Reben auf 1,5 ha in bester (erster) Lage
    der Schäfer ist Top-Erstes-Gewächs
    ausgebaut in Stückfässern „vom Assmann“ (Spessard-Eiche, natürlich)
    der Schäfer hat das neue Doppelstückfass weingrün gemacht
    das ist unser Burgunder-Silvaner
    der Wellenkalk ist der untere Muschelkalk – und der bringt feine Weine hervor
    gehen die Wurzeln so weit runter?
    „der Wellenkalk ist knüppelhart, da geht nichts durch!“
    im Keller machen wir das gepflegte Nichtstun: alles spontan vergoren
    wir kühlen nicht bei der Gärung, die dürfen so warm werden wie sie wollen
    es soll ja durchgären bis in die Nähe von Null oder ein Gramm
  • 39:16 Benedikt May und die Spätburgunder
    Benedikt ist seit sechs Jahren im Betrieb
    Spätburgunder ist zweitwichtigste Rebsorte
    im Glas Benediktusberg, unser großer Spätburgunder
    Weinberg ca 30 jahre alt, mit guten Klonen
    Wahl der Klone: Paul Fürst hat sie da beraten
    im anderen Glas gereift vom Jahrgang 2013
    unsere Weine sind in der Jugend nicht ganz so leicht
    wir lesen extrem früh, sind immer mit die ersten
    wir wollen Frische, nicht das Marmeladige
    aber die physiologische Reife ist da?!?
    Champagne-Erfahrung: das wird „im gnadenlos unreifen Zustand geerntet“
    was ist physiologische Reife? Das wird viel zu hoch gehängt!

Weingut Rudolf May
Im Eberstal 1
97282 Retzstadt

Tel. +49 9364 5760
weingut-may.de

[Aufgenommen am 27. Juni 2025 im Weingut in Retzstadt und am 15. September 2025 in der WeinKulturBar in Dresden  | Alle Beiträge Wein und Winzer Franken]

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Hinweis:
Die Recherchen zu diesem Beitrag wurden unterstützt mit einer Pressereise auf Einladung des DWI (Deutsches Weininstitut).

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Auf ein Glas – der Podcast der STIPvisiten. Gespräche beim Wein. Über Wein. Über Essen. Und übers Leben, natürlich.

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