Großer Spaß in der Gemischten Bude

Jungweinprobe bei Gräfes Wein & fein in Radebeul

Gemischte Bude

Good company, good wine, good welcome,
Can make good people.

William Shakespeare, Henry VIII I/4

Shakespeare, dessen Geburts- und Todestag sich in dieser Woche mal wieder jährten, bringt’s auf den Punkt. Es geht keineswegs nur um Wein. Es kommt auch auf die passende Gesellschaft und die Stimmung an. So gesehen ist es also müßig, sich allzu heftig über Duftnoten und wilde Vergleiche aus der bezaubernden Weinsprache auszulassen („Im Abgang ein Hauch von geröstetem Arabica-Kaffee“), wenn man gerade einen Nachmittag und einen Abend in der Gemischten Bude verbracht hat. Gemischt mitten im Satz mit großem G – also muss das ja ein Eigenname sein. Ist es auch: Unter diesem Titel entwickelt sich beim WeinFunatiker Matthias Gräfe und seinem Wein & fein in Radebeul gerade etwas, was dem Herrn Shakespeare sicherlich gefallen hätte.

Eingeladen waren alle, die Jungweine probieren wollten – solche von Frédéric FourréAndreas Kretschko, vom Weingut Haus Steinbach, der neuen Kooperation kastler friedland und von Stefan Bönsch. Es kamen – bei der Verdrahtung der Weinfeinen kein Wunder, auch eine Menge Gastronomen, um sich schlau zu machen über Neuentwicklungen im Sächsischen. „Frédéric hat Morio als Bückware und der Spätburgunder von Bönsch ist sehr gelungen!“ funkte die Buschtrommel – wir lieben ja dieses Internetz wegen solcher über die Ferne übermittelten Feinheiten und waren aus Dresden auch schneller in Radebeul als die mitlesenden NSAler in den Staaten.

KostprobenIn dieser Phase I bestimmten fachsimpelnde Menschen die Szenerie in Laden, Hof und Lager. Gucken, zutscheln, spucken. Notizen machen. Bestellen (nu: es geht auch ums Geschäft!). Wobei die anwesenden Winzer es allesamt nicht so üppig haben: Fourré, der französische Sachse, bewirtschaftet knapp unter einem Hektar, das Haus Steinbach etwa einen und die Winzer Kastler und Friedland zusammen knapp über einen Hektar. Das sind die mit den vielen Rebstöcken. Andreas Kretschko muss mit etwas mehr als einem halben Hektar auskommen und Stefan Bönsch holt das Beste aus 0,2 Hektar heraus. Üppig ist das alles nicht. Aber Masse und Klasse haben ja ein ganz eigenes Verhältnis zueinander, weswegen die Weine der Winzer von der Gemischten Bude nie im Supermarkt, aber sehr wohl vielleicht in Dresdens Top-Restaurants zu finden sein werden.

Gemischte BudeFür manchen Wein war es auch Ende April noch zu früh. So gab es Fassproben, um zu ahnen wohin das alles geschmacklich führen könnte – und Vertröstungen auf später, weil andere Weine das Fass noch nicht mal als Probe verlassen wollten. Auch die in der Flasche sind ja noch Jungspunde, auch wenn sie (wie der gebückte Morio Muscat) für den Moment schon Freude bereiteten. Wobei mit Freude endlich das richtige Stichwort gefallen ist. Gastgeber Matthias Gräfe beispielsweise freute sich über seinen zweiten Prinzenwein, den es als Kooperation mit Schloss Proschwitz in genau tausend Flaschen gibt (wir tranken aus der Nummer vier). Dass es nach dem ersten nun einen zweiten Wein nur für den rührigen Weinkenner gibt (der sich nach seiner Ausbildung zum Landwirt in Rammenau schnell dem Tourismusstudium mit spürsicherer Nase auf Wein spezialisiert hat), ist ja nicht selbstverständlich. Uns hat der erste Prinzenwein übrigens etwas besser gefallen – aber vielleicht muss Nummer zwei ja noch ein wenig in der Flasche reifen…

Lutz GerhardtLutz Gerhardt vom Haus Steinbach hatte zwei Fassproben mitgebracht: Der Weißburgunder schön trocken und knallig – das könnte ein feiner Sommerwein werden. Der Kerner wartet naturgemäß mit etwas mehr Bukett auf, ist aber nicht aufdringlich. Mit 13,5 Vol% Alkohol, 7,9 g/l Restzucker (bei einer Säure von 6,4 g/l) ist er schon kräftiger – aber manches Essen braucht das ja auch. Noch im Tank ruhen Grauburgunder, Riesling, Traminer und Frühburgunder. Die werden wir demnächst auch probieren können, denn ab 22. Juni gibt es immer wieder Sonntags von elf bis 18 Uhr eine Besenwirtschaft im Haus Steinbach. Dazu dann zu gegebener Zeit sicher mehr (hier!).

Bernd Kastler | Amrei NissenZwei Stationen kommen hier jetzt mal etwas kürzer weg – die eine, weil wir kastler friedland Winzer gerade besucht und die Weine beim Essen verkostet hatten, die andere, weil wir noch zu einer seperaten Weinprobe mit Frédéric Fourré gehen werden (da!). Genascht hatten wir natürlich dennoch, und um das mal ganz flapsig zu schreiben: Schmeckt alles und schien uns gelungener als der 12er Jahrgang. Am aus der Bücke geholten Morio Muscat hätten wir uns einen Abend lang hochziehen können – haben wir aber nicht.

Andreas KretschkoStatt dessen ging’s erst mal weiter zu Andreas Kretschko. Auf seinem Tisch liegt ein Zettel mit seinem Motto: „Ziel ist es, durch neue Ideen Weine zu schaffen, die Lebensfreude bringen und polarisieren.“ Müller-Thurgau, Weißburgunder, Grauburgunder und Riesling wachsen auf den drei Parzellen, die Kretschko in der Radebeuler Lössnitz, dem Proschwitzer Katzensprung und in Loschwitz bewirtschaftet. Den homöopathischen Mengen attestiert der Gault Millau (für den Jahrgang 2012) „beeindruckende Qualität“. So wie es aussieht (bzw. beim Probieren den Gaumen erfreute), wird’s im zweiten Jahr noch besser. Und, mal nebenbei, der Herr Kretschko ist ein famoser Kerl, mit dem man viel Spaß haben kann. Mögen mehr Weinflächen zu ihm kommen!

Stefan BönschWir hangeln uns übers Stichwort „homöopathische Mengen“ weiter. Wer ein wenig von dieser Art des Heilens versteht, weiß: es geht immer noch ein bisschen weniger. Stefan Bönsch kommt mit ganz wenig aus: 0,1 ha in der Lössnitz (seit 2006), weitere 0,1 ha seit 2013 in Meißen. Wie Kretschko hat auch Bönsch seine professionellen Wurzeln im Staatsweingut Wackerbarth. Dort lernte er Winzer, die anschließende Arbeit als Weinküfer und Winzer im Weingut Umathum am Neusiedler See war nicht weniger prägend. Als Weinküfer arbeitete er dann wieder auf Wackerbarth, 2011 machte er seinen Weinküfermeister – und sein Meisterwein (eine 2011 Scheurebe Kabinett) erhielt prompt mehrere Auszeichnungen. Ausgezeichnet sind dann auch die eigenen Weine, die in Langebrück entstehen: ein Müller, ein Riesling und als Überraschung des Abends der angekündigte Spätburgunder, der sicher noch etwas Zeit braucht – aber dann ganz sicher ein ganz feiner Begleiter zu, sagen wir mal: einem Rehrücken wird. Falls man es schafft, dann noch eine Flasche zu haben – Sachsens kleine Winzerwelt ist schon verrückt.

Wein an Radebeuler Abendhimmel

Gräfe’s Wein & Fein
Hauptstrasse 19
01445 Radebeul

Tel.: 0351 | 8 36 55 40
www.graefes-weinundfein.de

[Besucht am 28. April 2014 | Lage | Karte der hier besprochenen Restaurants in Dresden und Umgebung]

10 Trackbacks / Pingbacks

  1. zwei plus zwei gleich eins | STIPvisiten
  2. Wein, Speisen und Gespräche | STIPvisiten
  3. Top Winzer und Köche eröffnen die Weinzentrale | STIPvisiten
  4. 2 hoch 10 plus Zwei | STIPvisiten
  5. Stolz auf die alten Reben | STIPvisiten
  6. Gemischte Bude: Winzers Lieblinge | STIPvisiten
  7. 36 Restaurants bei den Kochsternstunden 2017 | STIPvisiten
  8. Gräfe's Wein & fein: Ein sächsisch-brandenburgischer Streifzug | STIPvisit
  9. Frédéric Fourré: französisch-sächsisch-trocken | STIPvisiten
  10. Andreas Kretschko: Angekommen im Zentrum des sächsischen Weinbaus

Kommentar hinterlassen

E-Mail Adresse wird nicht veröffentlicht.


*