Ein unbekannter touristischer Glanzpunkt

Besuch im Weinberg von Barone di Villagrande auf Salina

Wein aus Salina

Es riecht nach frischem Schwefel vor unserem Ferienhaus. Und das auf Salina – da sind die Vulkane doch mausetot! Anders als auf Stromboli oder Vulcano, da gehört der Geruch quasi zum guten Ton – aber auf Salina? Keine Ahnung, wo der Geruch herkommt, aber vielleicht weiß es ja Emanuele Fioretti – der ist Sommelier und Brand Manager auf Salina für das Weingut Barone di Villagrande, dessen Hauptsitz auf Sizilien liegt – dazu später mehr.

Emanuele FiorettiWir treffen Emanuele am Hafen von St. Marina. „Wir fahren ein Stück mit dem Auto, sonst findet ihr den Weinberg nicht!“ hatte er geschrieben. Nach etwas Rumgegurke und einigen Metern bergauf steigen wir aus, laufen noch ein wenig höher – und sind genau in dem Weinberg, der oberhalb unserer Ferienwohnung liegt. Die hatte bei unseren früheren Besuchen 20072011 und 2014 auch noch einen Weingarten. Im hinteren Teil des Hauses war der Weinkeller – es gab (natürlich!) Malvasia. Nach dem Tod der Eltern ist da jetzt die jüngere Generation eingezogen, der arbeitsintensive Wein wich Oliven und Palmen, beide im Babystadium – keine wirklich gute Entscheidung, denn diese Lage im Vallone Casella mit ihren ursprünglich elf Terrassen voll Wein (zumindest seit 2007, früher wahrscheinlich noch zwei mehr) ist ein Filetstück sonder Gleichen: an der sonnenexponierten Ostseite der Insel gibt es keine andere Lage, die sich im Tal von Fast-Meereshöhe (für die Genauen: 48 m) bis auf 130 m Höhe erstreckt. „Diese Lage ist einzigartig, weil hier von frühmorgens an die Sonne scheint und immer ein Wind weht!“ erklärt Emanuele. Die Morgensonne, das nahe Meer, die kühlen Winde abends und nächtens vom Monte Fossa delle Felci – das alles mögen die Trauben.

Der WeinbergGeschwefeltAuf den 2,5 ha Weinberg stehen die Weine in Reihen – 7.300 Pflanzen pro Hektar. „80 Prozent sind Malvasia“, weiß Emanuele – den Rest teilen sich Catarratto, Rucignola und andere autochthone Rebsorten. Bevor die Familie Nicolosi (denen das Weingut Barone di Villagrande gehört) hier anfingen, war der Weinberg arg parzelliert. „Vor 25 Jahren gehörte der Weinberg noch 22 Besitzern. Jeder hatte sein eigenes kleines Stück und machte darauf Wein!“ sagt Emanuele.

22 Verträge später sieht das jetzt anders aus, alles ist unter einer Leitung. Und offensichtlich hat sich zu der Zeit auch bei den Reben etwas getan, denn Emanuele erzählt, dass einige der Rebstöcke 25 Jahre alt seien – im Schnitt käme man auf 20 Jahre. Der Wein wächst hier quasi von allein: Sechs Mal im Jahr kommen vier Leute aus Sizilien zur Weinbergsarbeit herüber, ein Winzer ist immer vor Ort. Eine der Arbeiten, die zweimal jährlich durchgeführt wird: natürlichen Schwefel ausbringen. Der stammt von der Insel Vulcano – und da im Tal morgens der Wind von der See her kommt und am Nachmittag vom Berg her, haben wir ihn nachmittags und frühabends gerochen…

Der Weinberg – SeeseiteDer Weinberg ist ein touristischer Glanzpunkt der Insel, den kaum ein Tourist kennt. Liegt halt auf keinem Weg, ist aber nicht unerreichbar: Man kann bei Emanuele nämlich eine Führung mit Verkostung im Weinberg buchen. Und sieht dann von oben das Meer – mit etwas Glück wie wir ganz famos aufgelockert durch Segelboote, die dort die Winde von Eolos, dem Windgott, für sich zu nutzen wissen. Unser Weg im Weinberg führt höher, vorbei an einem 200 Jahre alten Ölbaum. Ein Prachtkerl, der mit seinem knorrigen Holz und dem weit verzweigten Blattwerk den Arbeitern im Weinberg der ideale Rastplatz ist. Wir steigen freilich noch weiter bergan, wo es ebenfalls etwas Baumschatten und – wir haben da mal was vorbereitet – sogar einen Holztisch gibt.

Olivenbaum, 200 Jahre altDer erweist sich als nützlich, denn wir werden jetzt im Weinberg die Weine probieren, die hier wachsen. Es sind ja vergleichsweise wenig. Zwar stehen die Reben eng an eng, aber die Ernte beträgt nicht mehr als ein Kilo pro Pflanze. 80.000 Flaschen produziert Barone di Villagrande auf Salina – weniger als zehn Prozent der Menge auf dem Weingut in Milo unterhalb des Ätna, wo man 85.000 Faschen auf 18 ha produziert. Barbara und Marco Nicolosi betreiben das Weingut auf Sizilien. „Weinmacher seit 1727“ steht auf dem Kellnerbesteck, mit dem unsere Weine entkorkt wurden. 1727: das war das Jahr, in dem Karl VI, König von Neapel, Don Carmelo Nicolosi den Titel des Baron von Villagrande verlieh. Aber eigentlich hatte die Familie ja schon ein wenig vorher dort Wein gemacht –die jetzigen Besitzer sind die zehnte Generation. Da gibt es viel zu erzählen! Seit 1989 ist unsere Firma Bio-zertifiziert. „Wir glauben, dass die Umwelt um uns herum ein sehr wertvolles Erbe ist und arbeiten daher in voller Übereinstimmung mit dem empfindlichem Gleichgewicht der Natur.“ Die Arbeit der Winzer sei, die Pflanzen zu unterstützen – nicht mehr, aber auch nicht weniger. „Unsere Weine sind ein Ausdruck des Territoriums, der Weinberge, und der Menschen bei und nach der Weinlese!“

Emanuele FiorettiAber nun erst mal: Wein! Salina Bianco, eine Cuvée mit Trauben des Weinbergs: Malvasia delle Lipari ist zu 40% drin, der Rest sind Rucignola, Catarratto und andere autochthone Sorten. Im Glas funkelt es goldgelb, in der Nase machen Zitrusfrüchte und Kräuter sowie ein Hauch von Balsamessig Lust auf den ersten Schluck. Und der, um das ganz unverhohlen zu sagen (es ist ja warm, die Sonne scheint) macht Lust auf den zweiten. Und so weiter. Ein Sommerwein, feine Mineralik, leichte balsamische Noten. Oh ja! 1.300 Flaschen gibt es davon, mehr nicht. Was selten und gut ist, kostet: Im Webshop 27 € – wenn es ihn denn gibt (der aktuelle Jahrgang ist ausverkauft).

Probe im WeinbergDas TerroireAuch nicht mehr zu haben ist die Spezialität von Salina: Der Malvasia. Der heißt zwar, weil Weingesetze offensichtlich überall auf der Welt merkwürdig sind, Malvasia delle Lipari, kommt aber meistens von Salina – der Insel, die als einzige der Äolischen (oder auch Liparischen) Inseln verwaltungstechnisch nicht zu Lipari gehört, sondern sich den Luxus von gleich drei eigenen Gemeinden leistet. Muss man ja alles nicht verstehen, es reicht ja, wenn der Wein schmeckt. Gold von Salina wird der Malvasia oft genannt, was ganz sicher nicht nur eine Anspielung auf die goldene Farbe ist. 98 € kostet die Flasche – was deutlich mehr ist als viele andere Malvasias auf der Insel kosten.

„Wir wollen einen ganz eigenen Malvasia machen,“ schwärmt Emanuele, einen eleganten Wein, vergleichbar eher einem Sauternes als einem einfachen Dessertwein. Wie in allen Malvasias stecken hier eine Menge Auslese und Handarbeit drin. 20 Hektoliter Malvasia delle Lipari und Corinto Nero pro Hektar werden händisch abgebeert und auf Matten getrocknet. Die Gärung erfolgt im Edelstahltank, abgefüllt wird nach einem Jahr. Der Wein ist, erstaunlich, nicht wirklich süß, sondern hält eine wunderbare Balance von Alkohol, Säure und Restzucker. „Da könnte man sich dran gewöhnen!“ sage ich noch – und schon geht es in die zweite Verkostungsrunde: Emanuele hatte Aprikosen mitgebracht – und die waren kurz davor, dem Wein die Schau zu stehlen: was für ein vollmundiger Geschmack! „Und nun noch einmal die Weine!“ war die Devise, der wir doch sehr gerne folgten: Unglaublich, wie die Frucht den Wein unterstützt!

CannizziWarum Flachdächer wichtig sindNatürlich hätte man Stunden im Weinberg bleiben können – aber wir waren ja nicht zum Vergnügen da 😉 . Also fuhren wir noch zum Weinkeller, der vom Erlebniswert die Antipode zum Weinberg ist. So unspektakulär wie ein ganz normales Haus am Ende der Stadt, aber wenn sie nicht besonders groß sein müssen, sind Weinkeller ja sehr oft reine Funktionsbauten – und auch in Garagen kann wunderbarer Wein entstehen. Unscheinbar liegen auf dem Weg zum Verkostungsraum, der nun unser Ziel ist, ein paar Matten. Das sind die cannizzi, die Strohatten, auf denen die Malvasia-Trauben in der warmen Sonne trocknen, um dann Malvasia passito zu werden. Die ganze Fülle der Aromen, das funkelnde Goldgelb im Glas: alles eine Frage verdunstenden Weines. Die Matten mit den Trauben drauf liegen exponiert auf den flachen Dächern des Hauses, während der zehn bis zwanzig Tage konzentrierter Trocknung verdichten sich alle Aromen, bilden sich Kristalle. Ganz ehrlich: man sieht den Matten nicht an, was sie da Großartiges entstehen lassen!

WeinprobeDie dritte Runde unserer Verkostung sollte eigentlich ja nur einem Wein gelten: dem Roten. Der kommt nicht aus Salina (schon deswegen haben wir ihn nicht im Weinberg getrunken!), sondern aus Milo und Castiglione di Sicilia. Die Cuvée aus 80% Nerello Mascalese und 20% Nerello Cappuccio ergibt einen dunklen, tanninreichen und doch fruchtigen Rotwein. Der Wein gärt mit 6-10 Tagen Maischestandzeit im Stahtank und reift dann ein Jahr in 500-Liter-Kastanienfässern. Wir probierten ihn mit getrockneter Tomate und mit Käse (wobei die Tomate nicht zu vergleichen war mit dem, was man hierzulande so kaufen kann. Die sizilianische Sonne trocknet eben nicht nur Trauben!)

Emanuele FiorettiAuf der Terrasse gerieten wir dann noch ein wenig ins Plaudern, und Emanuele erzählte uns von einer anderen Möglichkeit, den Wein kennen zu lernen. Yoga e Wine, Yoga und Wein, heißt das Projekt, das er zusammen mit seiner Frau anbietet, um so die beiden scheinbar gegensätzlichen Dinge gemeinsam auf den Punkt zu bringen. „Eine persönliche und kulturelle Bereicherung“ nennt Emanuele das. Wer lieber nicht bei Vollmond barfuß im Weinberg „die Vereinigung von Körper, Geist und Seele“ erfahren möchte, kann die reine Weinbergsverkostung anfragen (auf italienisch oder englisch – Tel. 3459745644 bzw. salina@villagrande.it).

www.villagrande.it

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