Wenn es um Wein geht und woher es kommt, dass der eine so und der andere ganz anders schmeckt – dann gibt es ja viele Erklärungen. Immer wieder gern gehört: Es ist das Terroir. Frag‘ zehn Leute, was das ist, um verlässlich zwölf Definitionen zu hören, bei denen oft viel Wahres drin steckt. Aber in Deutschland, wo dieser Begriff aus dem Französischen ja keine eigene Geschichte mit sich schleppt, steckt im Terroir eben auch reichlich Marketing, mithin viel Wischiwaschi. Was aber neben Boden und Klima definitiv eine erhebliche Rolle spielt, ist der Mensch. Und zwar nicht nur mit seiner Art zu arbeiten, die Dinge anzugehen – sondern auch mit seinem Geschmack. Klaus Zimmerling, einer der wenigen sächsischen Ausnahmewinzer, verkörpert den Aspekt Mensch wie kaum ein anderer, wenn es um Wein geht – um seinen Wein: „Ich mach den Wein so, wie er mir gefällt. Da bin ich Egoist!“ sagt er.
Als Zimmerling 1981 an der Technischen Universität Dresden begann, Maschinenbau zu studieren, hat er sich einen professoralen Satz besonders gemerkt: Es käme nicht darauf an, alles zu wissen, sondern darauf, sich selbstständig Wissen anzueignen – und zu wissen, wie man das macht. Vier Jahre hat er nach seinem Diplom 1986 als Konstrukteur gearbeitet, spätestens dann fiel ihm der Spruch des Professors wieder ein, denn er konnte ihn gut gebrauchen, als er aus seinem Hobby den zukünftigen Beruf machte. 1987 hatte Zimmerling nämlich in Dresden-Wachwitz (auf dem Königlichen Weinberg) erste Reben gepflanzt und ist irgendwie auf den Geschmack gekommen. Aber spannend wurde es erst, als er 1990 seine jetzige Frau Malgorzata Chodakowska in Wien besuchte. Die studierte dort Bildhauerei an der Akademie der Bildenden Künste – und war noch nicht fertig: 1991 schrieb sie ihre Diplomarbeit bei Prof. Bruno Gironkoli und erhielt den Meisterschulpreis.
Die geliebte Frau in Wien, den Wein in Wachwitz – was für eine Melange. Klaus Zimmerling wollte jedenfalls in Wien bleiben, sich vielleicht nach einem neuen Job als Konstrukteur umsehen – oder etwas mit Wein machen. Auf dem Naschmarkt in Wien an einem Demeter-Stand fiel dann die Entscheidung: Wein. Und zwar naturnah ausgebaut – Klaus Zimmerling war schon bei der Gründung der Gäa in Dresden dabei. Das Winzerhandwerk lernte er bis 1992 auf dem Nikolaihof in der Wachau – ein Demeter-Betrieb.
Der Kopf war also bio, die Ausbildung auch – aber in irgendwelchen Verbänden ist Zimmerling nicht. „Papierkram liegt mir nicht!“ verriet er einer Gruppe von Absolventen der TU Dresden, die ihn jetzt besuchte. Zertifiziert bio sind seine Weine also nicht – aber man braucht nicht unbedingt Verbände, um sauber zu arbeiten: Zimmerling stellt sein Weingut gerade auf biodynamische Wirtschaftsweise um – „unauffällig“, wie er sagt. Also ohne großes Tamtam – wie das so seine Art ist.
In Wachwitz hatte Zimmerling seinen Weinkeller weiter oben im Berg. 80 Stufen – das klingt romantisch, ist aber nicht gut fürs Kreuz. Also suchte er einen anderen Platz und fand ihn in Pillnitz. Der Keller des Schlosses ist natürlich ein romantischer Ort, aber die nahe vorbei fließende Elbe kann einem da schon zu schaffen machen: Die Flut 2002 brachte die Fässer zum Schwimmen,und 2006 wurde es schon wieder extem unangenehm feucht (wenn auch nicht so arg beachtet). Das macht keinen Spaß. Also gibt es seit 2008 einen eigenen Keller – direkt am Weingut unterhalb der Rysselkuppe. „Eine Nachflutsache“ meint Zimmerling, und dieses Wort gilt quasi für alles. Es gab Fördergelder, es gab unkompliziert Genehmigungen – immerhin ist das dort Landschaftsschutzgebiet. Aber diesen Keller nicht gebaut zu haben, wäre eine Schande gewesen, denn er ist nicht nur zweckmäßig sondern auch schön.
Womit wir bei Malgorzata Chodakowska wären. Ihre Skulpturen zieren nämlich nicht nur die Etiketten der Zimmerling-Weine (jedes Jahr eine, da kann man wunderbar sammeln), sondern erfreuen sich auch sehr großer Beliebtheit beim zahlenden Kunstgenießertum. Das schafft gewisse finanzielle Freiheit, betont Klaus Zimmerling mehr als ein Mal. Die braucht man offensichtlich auch, wenn man mit vier Hektar einen sehr guten Wein machen möchte. Ertragsreduzierung ist ja ein beliebter Begriff in der Branche, aber wenn das Wetter oder nette Tierchen wie die Essigfliege sich an der Reduktion des Ertrags beteiligen, dann ist das nicht lustig. 25 hl/ha sind ja nicht unbedingt die Menge, die zum wirtschaftlichen Überleben führen. 7000 Liter sei der Ertrag in diesem Jahr, viel zu wenig: „Ab 12.000 funktioniert es!“. Wobei das eigentliche Problem sich im Zusammenspiel mit dem Vorjahr ergibt: 2013 sei zwar von der Qualität her ein Super-Jahrgang gewesen, aber eben auch viel zu wenig. „Wir haben in diesem Jahr die fehlende Hälfte des vergangenen Jahres geerntet!“ meint Zimmerling. Der Mann hat einen Humor, der mindestens so trocken ist wie seine Weine.
Vier Hektar bewirtschaftet Zimmerling mit seinem kleinen Team. Viel ist das nicht – soll aber auch nicht mehr werden: Große Erweiterungspläne gehen dem Winzer, der seit 2010 dem VDP angehört und somit so etwas wie ein zertifizierter Qualitätswinzer ist, nicht im Kopf herum. Eine gewisse Kleinheit gehört eben auch dazu, wenn man einen Wein ganz nach seinem eigenen Gusto machen und selbst mit Hand anlegen möchte. Leider sind dann auch die Flaschen klein: 0,5 Liter, seit 2008 schraubverschlusst, sind Standard. Kleiner geht auch, manchmal. Zimmerling lobt die kleinen Flaschen – was soll er denn sonst auch tun? „Genau die richtige Menge für einen Abend!“ ist ein Argument, „man kann in einer kleinen Essrunde zu jedem Gang einen eigenen passenden Wein trinken!“ ein anderes. Ist ja alles richtig. Aber vielleicht sind die Flaschen ja auch nur so klein, damit der Verkaufspreis nicht noch höher ist, wer weiß…
Die Besichtigung des Weinguts beginnt mit einem Blick auf die Rysselkuppe und einem zweiten auf die Reben unterhalb der Straße. Dort wächst Weißburgunder – in diesem Jahr komplett erfroren, weil Anfang Mai Nachtfröste den Trieben den Garaus machten. Minus zwei Grad reichen da schon. In der Pfalz hätte man vielleicht befreundete Hubschrauberpiloten um Hilfe gebeten, die können ihre Flugpflichtstunden ja auch nutzen, um die Luft durcheinander zu wirbeln. Aber hier gibt’s nicht genug Hubis… Mit der Natur zu leben ist eben das Los aller Landwirte, nicht nur der Weinbauern.
Wir steigen ein wenig hoch, quasi dem Keller auf’s Dach. Dort befindet sich das Presshaus. Zwei Pressen mit insgesamt vier Körben – italienische Produkte. „Die können’s einfach!“ lautet die Antwort auf die gar nicht gestellte Frage, warum gerade die… Die Pressen haben einen pneumatischen Antrieb, die Trauben werden schonend und langsam mit nur einem halben Bar Druck gepresst. Das ergebe, so Zimmerling, eine „super Mostqualität“.
Prinzipiell müssen wir das erst einmal glauben – bis es den 14er Jahrgang zu trinken gibt, zieht noch etwas Zeit ins Land. Auch den Jahrgang 13 – der schon auf Flasche gezogen ist – gibt’s noch nicht. Es ist noch 12er da! Den es aber auch noch nicht gibt, denn aus dem Presshaus geht es erst einmal in den Weinkeller. Der wäre beinahe sachlich-nüchtern geraten, mit all den Edelstahl-Tanks, in denen Zimmerling seine Weine ausbaut. Kein Holz! Jedenfalls nicht für Weine – aber im Keller ist auch Malgorzata Chodakowska präsent. Ihre Skulpturen machen aus dem Weinkeller einen Ausstellungsraum, in dem man sich gar nicht genug sattsehen kann an den ausdrucksstarken Figuren.
Was da im Keller gärt, ist ausschließlich Weißwein, Riesling hauptsächlich. „Die Lage ist prädestiniert dafür“, sagt Zimmerling: Granitfelsen, Südlage. Und es gibt natürlich noch einen Grund: sein Geschmack. Wobei „sein“ durchaus doppelt gedeutet werden kann, nämlich der des Rieslings und der des Winzers. Und dann gibt es noch einen Grund: „Riesling übersteht auch 29,9 Grad Frost, die wir hier im Februar schon mal hatten.“
Müller-Thurgau und Bacchus hat Zimmerling gerodet und statt dessen Burgunder gepflanzt – weißen und grauen sowie Spätburgunder. Wie, Spätburgunder – gibt’s nicht nur Weißen hier? Im Prinzip ja: Der Spätburgunder wird weiß gekeltert, um daraus Sekt zu machen. Versektet wird an der Mosel beim Weingut Kirsten, wo aus Grundwein und Most (zehn Prozent der geernteten Menge wurden dafür konserviert) einen sehr knackig-runden Winzersekt ergeben: Most statt Zucker, das macht’s stimmig!
Klaus Zimmerling und Malgorzata Chodakowska
Bergweg 27
01326 Dresden
Tel. +49 351 2618752
www.weingut-zimmerling.de
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