Kleine Weinlektion für kulinarische Stadtwanderer

Marcus Schubert mit Weinen aus Saale-Unstrut bei der kulinarischen Wein-Entdeckertour

Marcus Schubert | Leni Diener

Lang ist’s her, dass wir mit Leni Diener ihre Tasty Dresden-Tour durch die Neustadt gelaufen sind. Die Tour findet immer noch regelmäßig statt (wenn auch mit teils anderen Stationen – so ist das bei Veränderungen in der Neustadt), aber es gibt mittlerweile auch einen spannenden Ableger, bei dem unsereins doch aufhorchen muss: eine Wein Tour. Die endete planmäßig im Sonnenhof, aber zu den angekündigten beiden Weinen auf dieser Station gab es jetzt als Zugabe: den Winzer!

Marcus SchubertMarcus Schubert, gebürtiger Erzgebirgler, studierter Verkehrsingenieur und seit über 20 Jahren als solcher bei der Deutschen Bahn tätig, hatte – über einen Radebeuler Freund – die Liebe zum Wein entdeckt. 2013 gründeten Chris Dabbert, Johannes Beyer und er die Weinmanufaktur Alte Zuckerfabrik in Laucha – mit Dabbert als Hausherr, Beyer als Kellermeister und Schubert als Marketing- und Vertriebsmann. Da hat Marcus Schubert aber offensichtlich noch mehr Lust am Weinmachen bekommen: seit 2014 bewirtschaftet er einen eigenen kleinen Weinberg – „eine Herzensangelegenheit“, wie er sagt. Die etwa 0,5 ha große Rebfläche befindet sich in der Einzellage Steigraer Hahnenberg, am nördlichen Ende des Unstruttals (mit dem berühmten Nachbarn Karsdorfer Hohe Gräte). Zwei Rebsorten wachsen bei ihm, eine weiße (Solaris, 65 % der Fläche) und eine rote (Zweigelt, der Rest). Und – kein Zufall! – beide hatte er im Rucksack mitgebracht, um sie den kulinarischen Stadtwanderern um Leni Diener im Genuss-Café Zarewna vorzustellen.

Kleiner Snack im ZarewnaDas Zarewna liegt in der Dresdner Neustadt im Sonnenhof – und es gehört zu den touristenunfreundlichen Merkwürdigkeiten, dass man nicht vom einen in den anderen gelangen kann, weil es zwar einen Durchbruch gibt, aber einen Zaun gegen die Touristenwanderung. Das Zarewna ist ein Café mit einer Mischung aus russische Spezialitäten, hausgemachten Pralinen und (natürlich!) sehr schokoladigem Kakao. Das kam – bis auf einen Probierteller mit Praliné und Snacks – bei diesem Besuch ein wenig zu kurz, denn wo ein Winzer ist, stiehlt er natürlich die Show.

Als Absacker waren die beiden mitgebrachten Weine sehr willkommen, eine Gratis-Lektion in Sachen Weinbau und Philosophie des Weinmachens gab es gratis hinzu. Das fing an mit ganz einfachen Dingen (Frage: was für ein Kreis ist denn Saale-Unstrut? Antwort: gar kener, das ist ein Weinanbaugebiet!) und hörte bei hochkomplexen Erörterung (Laubwandmanagement für Anfänger mit Vorkenntnissen) nicht auf. Allein die Schilderung derlei Details lässt den Respekt vor dem, was im Glas ist, wachsen: da steckt ja Arbeit hinter!

Solaris und ZweigeltZuerst gab’s eine Solaris Auslese. Dass kaum jemand Solaris als Sorte kannte, verwundert nicht, die Neuzüchtung gehört zu den selten angebauten – im Anbaugebiet Saale-Unstrut wird sie auf nur 1,8 ha angebaut (und in ganz Deutschland sind es 207 ha). Solaris gehört – auch das lernen wir im Vorübertrinken – zu den pilzwiderstandsfähigen Sorten, oft als Piwi abgekürzt. Da muss der Winzer zwar auch spritzen, aber deutlich wenger häufig als bei den traditionellen Sorten. Ob’s dann auch schmeckt, ist natürlich eine ganz andere Frage – und das Solaris gerne viel Zucker ansammelt, wird’s dann auch schnell mal ein süßer Wein. „Seit 2018 ernte ich die Trauben, sie waren bislang immer auf dem Niveau der Auslese“, erzählt der Winzer im Nebenerwerb.

Der 22er sei das beste, was er je aus dem Weinberg geholt hat, verrät Schubert. Gründe? Viele! „Es war trocken, aber wir hatten ein gutes Temperaturniveau, mit heißen Tagen und kühlen Nächten. Und der Regen sei exakt zum richtigen Zeitpunkt gekommen. Am Ergebnis seien aber auch „qualitätsausgerichtete Weinbergsarbeit“ und ein hervorragender Kellermeister (Johannes Beyer) beteiligt. „Dieser Solaris hat sechs Monate auf der Feinhefe gelegen, um Aromen auszuprägen. Ein geschmeidiger Wein!“, muss der Winzer sich selbst mal loben.

Zweigelt im GlasZum Rotwein – einem Zweigelt aus dem Jahrgang 2021. Diese Hauptsorte österreichischer Rotweine kommt in Deutschland relativ selten vor: in Sachsen auf rund einem Hektar, im Anbaugebiet Saale-Unstrut aber auf 28 ha – das ist fast ein Viertel der 116 ha mit Zweigelt in Deutschland! Während wir noch am Glas riechen (Sauerkirsche! Brombeeren!), stellt Marcus Schubert seine Philosophie vor. „Mein Vorteil als Nebenerwerbswinzer ist ja, dass die Betriebswirtschaft nicht das Sagen hat. Bei der Arbeit stehen meine Ideale im Vordergund!“, sagt er und nennt die drei Säulen seiner Philosophie: so naturnah wie möglich (kein Einsatz von Pestiziden). Und was die Pilzbekämpfung angeht: er habe sich ja aus gutem Grund mit dem Solaris eine PIWI ausgesucht. Säule zwei sei die Ertragsregulierung, damit Tiefe, Dichte & Aromatenvielfalt im Wein landet: „Lieber Qualität als Quantität!“: im Anbaugebiet läge der Ertrag im Schnitt bei 5-5.500 l/ha – er liegt mit dem Solaris bei 3.750, beim Zweigelt noch weiter drunter (ca. 3.000 l). Und die dritte Säule sei für ihn das bereits erwähnte Laubwandmanagement. „Das Wissen dazu habe ich mir in einem Buch angelesen. Eins, das zum Denken vor dem Handeln anregt…“ Also keine Patentrezepte, aber als Winzer habe man ja jedes Jahr ’ne neue Chance – aber eben auch eine neue Situation…

Den Zweigelt haben sie selektiv gelesen, und aus den ersten gelesenen Trauben gab’s Rosé, aber der sei „leider schon alle“. „Ich bin ja selbst überrascht, was für Qualitäten bei uns möglich sind!“ sagt er zum Zweigelt. Wir trinken den 21er, also einen jungen Roten. Dennoch kommt er schon sehr gut an. Der Wein ist 12 Monate im neuen Barrique gereift, „bin gespannt, wie der sich in zehn Jahren präsentieren wird!“ Wenn es dann noch Flaschen gibt: Schubert selbst hat keine Rücklagen, es seien halt zu wenig Weine… Er animiert also seine Kunden: kauft genug und lasst ihn liegen!

[Besucht am 28. Juli 2023]

Infos:
tasty-dresden.de
facebook.com/Zarewnacafe
wein-ekstase.de
wein-zuckerfabrik.de

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