Die Trautweins gehören, obwohl das Wort Familienbetrieb ja erst einmal nicht so klingt, zu den wirklich nicht Kleinen im Geschäft. Schon seit den 1950er-Jahren kauft die Familie Trautwein Trauben, Moste und Weine direkt von den Erzeugern. Das Unternehmen wurde 1909 von Adam Trautwein gegründet, aber so richtig spannend wurde es – aus heutiger Sicht – wohl erst in der dritten und vierten Generation: Wolfgang und Anita (Generation 3 seit 1989) sowie Johannes Trautwein (G4, seit 2020 im Betrieb) stehen für innovative Ideen und Wachstum – wobei innovativ unter anderem für neue Technologien steht, was die enorme Betriebsvergrößerung wohl erst möglich machte: mehr Computer und gesteuerte Prozesse halt. Also auch weniger Menschen im Betrieb, sonst wären die billigen Supermarktweine ja nicht möglich. Andererseits war da schon immer auch ein Über-den-Tellerrand-Schauen dabei: die weltweit erste anaerobe Behandlungsanlage für Weinbauabwässer wurde 1994 in Betrieb genommen, die Entalkoholisierungsanlage mit Vakuumdestillation 2014. „Wir haben also einige Erfahrung!“, fasst Johannes Trautwein das knappstmöglich zusammen.
In den zehn Jahren konnte man nicht nur Erfarung sammeln, sondern auch die Entwicklung der entalkoholisierten Weine begleiten – was für den Betrieb heißt: immer mal wieder neue Technologien probieren. Und was für die Kunden heißt: so langsam beginnen die Weine (und noch mehr die Sekte) zu schmecken. Diese marmeladige Note verschwindet, beispielsweise. Was aber bleibt, ist: die Süße. Die Zahlen auf den Rücketiketten sind zwar exakt, aber klingen niedlich verharmlosend – sie sind gesetzestreu und ungewohnt für die Trinkenden für je 100 Milliliter angegeben. Rückt man das Komma eine Stelle nach links, spielt der Kopf eher mit: aus 3,5 g werden dann 35 g, das stimmt besser mit dem Geschmackserlebnis überein. Aber das ist ein anderes Thema…
Anlagen zum Entalkoholisieren sind – schrieb ich ja schon einleitend – teuer, und weil sie das sind, will und kann sich nicht jeder eine hinstellen. Johannes Trautwein kommt auf insgesamt neun Anlagen in Deutschland, die er kennt, und die meisten sind auf große Mengen ausgelegt. Anders im Trautheim-Stammsitz Lonsheim: „Seit drei Jahre haben wir eine kleinere Anlage, um auch geringere Mengen Wein entalkoholisieren zu können“, verrät Trautwein uns. Nun können also auch Winzer mit geringeren Mengen (ab 2.000 Liter) ihren Wein entalkoholisieren lassen. Mit zwei von neun Anlagen stünde man zumindest ganz gut da im Geschäft mit den Alkoholfreien…
Bei der Probe gab’s dann (entalkoholisierte) Sekte und Weine von J. Trautwein: des Jungwinzers eigene Linie. Da fallen dann so schöne Begriffe wie Mundfülle (bei den Schaumweinen), Entalkoholisierungston (gab’s früher© deutlich häufiger, Bubbles helfen, den Geschmack nach eingeschlafenen Füßen oder einen dumpfen Kochton zu vermeiden – aber eben auch moderne Technologien). Und dann natürlich der Restzucker im Produkt: 35 Gramm beim Einstiegssekt (weinrechtlich korrekter: schäumendem Getränk aus entalkoholisiertem Wein – aber wer sagt das denn schon?) schmecken erstaunlich trocken, auch wenn sie es nicht wirklich sind.
Wie aber entsteht dieses Getränk, was macht man mit dem Wein, damit er ein alkoholfreier wird? Es gibt drei Verfahren: Vakuumdestillation, Membranverfahren und die Spinning Cone Column (deutscher Begriff, sehr schön: Schleuderkegelkolonne). Mit dem Alkohol verschwinden leider auch Aromen, die aber mittlerweile dem entalkoholisierten Wein wieder zurück geführt werden können. Wer schlau ist, nimmt also am besten gleich Sorten mit Aroma, also die Muskatsorten zum Beispiel. Müller-Thurgau eignet sich auch, schwierig seien die Burgundersorten und Silvaner. Aber egal, welche Sorte: Der Wein muss absolut sauber und fehlerfrei sein, bevor er entalkoholisiert wird. Klingt selbstverständlich? Nun ja… Wie auch iummer: weil bei der Entalkoholisierung 15 % Schwund ist, wird alles, was nicht flüchtig ist, konzentriert! Was man als Konsument mit gesundem Achtelwissen nicht ahnt, formuliert Johannes Trautwein: „Ich muss den besseren Grundwein nehmen!“
Für die Aromarückgewinnung schnappt man sich den Alkohol, der sich die Aromen mitgenommen hat, und entlockt dem (mit einer Spezialtechnologie – Stichwort: teuer! – die Aromastoffe. Das dauert, denn während die Entalkoholisierunganlage 1.500 l/Std. schafft, braucht die Artomarückgewinnug einen Tag. „Das ist was für Weine im Premium-Segment!“, sagt Trautwein. Zum Beispiel für den Pinot Noir mit Spätburgunder aus dem Gundersheimer Höllenbrand – eine bekannte Rotweinlage. Und dieser entalkoholisierte Rotwein kommt dem Original schon näher als es vor Jahren noch war. Der Wein lag zwei Jahre im Barrique, wurde dann entalkoholisiert und bekam die Vorzugsbehandlung der Aromarückführung. 18,99 € kostet die Flasche – ein Versuchsobjekt. „Wer kauft denn das für den Preis? fragt jemand aus der Runde. Aber: falsche Frage, denn bei einem preislich vergleichbaren Gundersheimer Höllenbrand Spätburgunder trocken vom Weingut Flörsheimer Hof für 16,50 € (nur so als Beispiel) hätte sie das nicht gefragt…
Aber genau das ist ja die Krux: alkoholfreier Wein müsste eigentlich einen Euro mehr kosten als sein Bruder mit Alkohol, die Aromarückgewinnung kostet in der Herstellung pro Flasche noch mal einen Euro. Neben den teuren Anlagen, fassen wir zusammen, braucht man eigentlich auch die besseren Weine – und obendrein ist viel Energie nötig (nur für den Wein schätzt Trautwein es auf doppelt so viel ein). Wenn dann das alkoholfreie Produkt im Handel genau so viel (oder gar wenig…) kostet wie das mit Alkohol, so liegt das am Kunden, der es nicht versteht, weil ja Wein ohne Alkohol erst mal nach weniger klingt als Wein mit Alkohol! Das sagt zwar so deutlich keiner, aber zwischen den beschwichtigenden Marketingsprechzeilen kann man es deutlich heraushören.
Das mit den flüchtigen Aromen hat Ernst Büscher, Pressechef des DWI (und Geisenheim-Absolvent) für uns nicht-Chemiker ganz gut nachvollziehbar erklärt: Es gibt solche, die sind früher flüchtig und solche, die sind später flüchtig. Wer sein Weinglas schwenkt und riecht, bekommt Aromen mit, die bei Raumtemperatur flüchtig sind (sonst könnte man sie ja nicht riechen). Und wenn sie weg sind, sind sie weg… Und dann gibt es Aromen, die an den Alkohol gebunden sind und sich mit ihm auf und davon machen. Die gehen mit der Destillation verloren – können aber mit Trickserei vom Alkohol getrennt und somit dem Wein zurück geführt werden.
Man kann natürlich auch Wein machen, der gar ncht mehr so dolle nach Wein schmeckt und sich so dem Vergleich entzieht: Pimp my Wine mit Tee-Extrakt! Bei einem Joint Venture mit St. Antony ist genau das die Lösung, um die fehlende Aromatik nach dem Entalkoholisieren zu kompensieren. Und wenn schon verrückt, dann auch richtig: die Etiketten für The Duke of Blacktea und The Dutches of Roiibos sind aus dem Zusammenspiel von Grafikstudio und einer KI entstanden. Die Flasche kostet übrigens unter zehn Euro, da kommen dann keine Fragen mehr auf (geschmeckt haben mit beide, der Duke wohl wegen meiner ostfriesischen Sozialisation mehr…).
Weinkellerei Adam Trautwein
Friedrichstraße 19
55237 Lonsheim
Tel. +49 67 34 / 94 20 – 0
weinkellerei-trautwein.de
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