Fototermine in hübscher Kulisse gehören für Politikerinnen (und ihre männlichen Kollegen) zum Alltag. Meistens sieht man diese armen Menschen dann Dinge tun, die sie nicht gelernt haben, also auch nicht wirklich können. Sehr lustig, das. Aber: schöne Bilder! Mit Info-Anteil dahinter, meistens jedenfalls. So ein Termin hätte auch der mit dem Betreff „Weinlese im »Goldenen Wagen« mit Tourismusministerin Barbara Klepsch“ werden können. Hätte – aber die Ministerin hatte sich mehr Zeit genommen als „drei Meter in den Weinberg, rote Schere in die Hand, Lächeln – und gut ist“. Etwas untypisch für die Spezies homo politicus ging sie also den steilen Goldenen Wagen tief hinunter, um sich anschließend hoch zu arbeiten mit der Ernte von bestens gereiftem und trotz des Regens recht gesunden Traminer.
Der Goldene Wagen ist ja – eine Folge des die Lagen größer und dadurch unschärfer machenden Weingesetzes von 1971, das nach 1990 auch für die Lagen hierzulande galt – als östlichste der drei Einzelweinlagen der Großlage Lößnitz auf den Etiketten vieler Weine zu finden. Aber der eigentliche Goldene Wagen ist natürlich der Schatz direkt an der Spitzhaustreppe. Steil geht’s da hinauf, die Terrassen mit den größtenteils bestens sanierten Trockenmauern sind nicht nur pittoresk, sondern machen den Winzerinnen und Winzern das Leben wenigstens teilsweise leichter – dem Wein kommt die gespeicherte und dann abstrahlende Wärme ja sowieso gut zupass. Dieser ursprüngliche Goldene Wagen ist eine klassische große Lage – mit entsprechenden Weinen.
Die Zeilen links und rechts der Ministerin (die in fachkundiger Begleitung von Weinbauleiter Till Neumeister nicht nur Tipps, sondern auch Informationen zum Stand der Lese aus erster Hand bekam) hatte sich das etwa 30köpfige Leseteam von Schloss Wackerbarth vorgenommen. Da ging’s deutlich schneller voran – aber erstens sind das Profis und zweitens wird man als Ministerin von ernsthafter Arbeit gerne mal abgelenkt von auf ihre Weise ja auch ernsthaft arbeitenden Fotograf*innen („Können Sie mal in die Kamera schauen?“). Na klar kann sie das, aber dabei sollte die sehr spitze Schere besser ruhen, das weiß man auch als Laie.
Gelesen wurde Traminer. Die Sorte steht im Vergleich zu anderen Anbaugebieten Deutschlands in Sachsen auf vergleichsweise vielen Weinbergen – natürlich nur prozentual, aber immerhin: im Bundesschnitt ist sie mit 1,1 % vertreten, in Sachsen mit 5 %. Sächsischer Traminer wird mal trocken und mal fruchtsüß ausgebaut. Der jetzt im Goldenen Wagen von alten bis sehr alten Reben gelesene hatte deutlich über 100 Oechsle und wird daher als restsüße Spätlese auf den Markt kommen. Das dauert freilich noch ein wenig, denn im Keller gibt man den Lagenweinen bei Wackerbarth die Zeit, die sie zum Reifen benötigen. Vor Herbst 2026 frühestens wird man diesen Traminer also nicht genießen können…
Genuss ist laut touristischer Marktforschung ein wichtiges Entscheidungskriterium für deutsche Reisende bei der Auswahl ihres Urlaubsziels. Davon profitiere Sachsen: der Weintourismus und entsprechende Angebote haben hier in den vergangenen zwei Jahrzehnten stark an Bedeutung gewonnen. „Weintourismus spielt für uns eine große Rolle“, sagt die Ministerin, die ja nicht ganz ohne Grund auf den Goldenen Wagen zur Weinlese gekommen ist – er sei „für 3,1 Mio. Übernachtungs- und Tagesbesuche verantwortlich.“ Während ihres Aufenthalts in der sächsischen Weinregion geben die Weintouristen knapp 300 Mio. € aus. Dabei ist die Zielgruppe der Weintouristen für die sächsische Tourismusbranche besonders attraktiv, denn die Ausgaben der Gäste liegen 11% (bei Übernachtungsgästen) bzw. 55% (bei Tagesgästen) über dem Durchschnitt aller Reisenden.
„Ein wichtiges Handlungsfeld in unserem Masterplan Tourismus ist die Entwicklung von wettbewerbsfähigen Produkten und kreativen Ideen. Dazu gehört auch das Thema Kulinarik, das Kultur- und Naturtourismus ideal verbindet. In diesem Bereich sehen wir in Sachsen noch viel Potenzial: Wir wollen Gastronomie, Kulinarik und Tourismus stärker verzahnen und einzigartige Erlebnisse für unsere Gäste schaffen. Das Sächsische Staatsweingut ist als Erlebnisweingut in diesem Bereich eines unserer Aushängeschilder und hat eine Bedeutung, die weit über den Freistaat hinausreicht“, sagte die Ministerin (das Foto ist übrigens aus dem Archiv, Besuch des Gutsrestaurants im Rahmen der Kochsternstunden). Schloss Wackerbarth sei ein Markenbotschafter für die gesamte Weinregion. Es begleite den sächsischen Tourismus seit sehr vielen Jahren im In- und Ausland, meinte die Ministerin. „Dabei verfolgt das Staatsweingut stets das Ziel, Reisende und Weintouristen zu einem Besuch der gesamten Weinregion und ihrer Winzer einzuladen“, betonte Tourismusministerin Barbara Klepsch.
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