Vier Gänge mit Charakter

Kochsternstunden 2025: Caroussel Nouvelle (Dresden)

Caroussel Nouvelle KSS25

Bistro meets Haute Cuisine ist der Claim des Caroussel Nouvelle seit der Verschmelzung des ehemaligen Feinschmecker-Restaurants und des ebenso ehemaligen Bistros. Was vor vier Jahren noch ungewohnt war (und dem Haus den Michelin-Stern kostete, den das alte Caroussel seit 2006 unter den verschiedensten Köchen hatte), ist heute gelebte Normalität: alles ist ungezwungener, und den Verzicht auf die ein oder andere in Sternerestaurants erwartete Zutat und/oder Attitüde kann man ja auch als Vorteil sehen.

Was man im Caroussel Nouvelle beibehalten hat, ist Professionalität in der Küche und ein Service, der sich auch Zeit für die Gäste nimmt – besser eigentlich: nehmen kann, denn es ist ja ein Hotelrestaurant, und im Hotel bildet man gerne und gut aus. Also laufen an diesem Abend neben dem F&B Manager & Sommelier Felix Grupe und Jonas Reichenbach (der von mir glatt als fertiger Sommelier eingestuft wurde, weil er so wissend, gewandt und locker auftrat – sich aber noch dual fortbildet) noch vier Azubis durchs Restaurant, um beim Einsetzen oder Abräumen zu helfen. Und manchmal, wenn ich es richtig beobachtet habe: auf jeden Fall beim jeweils ersten Gang am Tisch – kommt auch Küchenchef Sven Vogel an den Tisch, um zu servieren und zu erklären.

Caroussel Nouvelle KSS25Sven Vogel, schon lange in der Bülow (wie die Dresdner seit Zeiten der Bülow-Residenz meist liebevoll-kurz sagen), hat sich am bewährten Stil des Hauses entlang gut weiter entwickelt – und beim Kochsternstunden-Menü das Pendel deutlich in Richtung fine dining ausschlagen lassen. Dazu gehörte auch (wieder), dass es einen Gruß aus der Küche, ein Sorbet vor dem Hauptgang und Pralinen zum Abschluss gab – wie erwartet in bester Qualität. Vor allem beim Vorab begrüßte ich die Wiedereinführung solcher Freundlichkeiten, denn bei der großzügigen und guten Auswahl an möglichen Aperos freut man sich natürlich, nicht ganz ohne dazusitzen. Also genoss ich zum Rindertatar und Purple Curry nebst dem Brotkorb mit Butter, Öl und Salz einen Pinot brut nature Sekt von Schloss Wackerbarth. Ein Jahrgangssekt (2017) aus handverlesenen sächsischen Spät-, Weiß- und Grauburgunder-Trauben, der über 20 Monate lang in der Flasche reifen durfte. Macht Spaß!

Tatar vom WolfsbarschDas Menü begann mit einem Tatar vom Wolfsbarsch, das – wie erwähnt – der Chef an den Tisch brachte. Mir gefiel sein Satz: „Da haben wir quasi den ganzen Fisch auf dem Teller!“ sehr, denn das konnte nur symbolisch gemeint sein. So ein Wolfsbarsch wiegt ja gut und gerne zehn Pfund, das Ergebnis auf dem Teller war deutlich zierlicher. Aber hübsch anzusehen und eben (fast) alles drin: flüssig gebeiztes Barschfleisch als Tatar, die Karkassen wurden zum Sud gekocht und warfen einen Hauch von Ceviche in den Ring, die Haut zum knusprigen Chip verarbeitet. Für Farbe (und zusätzliche Geschmacksnoten) sorgten drei Varianten der Beete: gelbe Beete als Ragout in einer Apfeltasche, Ringelbeete in farbenfroher Blütenoptik und rote Beete als Püree. Wer bislang dachte, dass Beete zuvorderts nach Erde schmeckt, musste den Geschmackskompass neu justieren! Im Glas dazu: ein 2023 Chardonnay Kabinett trocken vom Weingut Koehler-Ruprecht (Pfalz). Ein Einstiegswein aus dem traditionsreichen Weingut, das vor allem durch seine Rieslinge bekannt ist – aber manchmal darf es ja auch Chardonnay sein, zumal, wenn es einer mit so einer spielerischen Leichtigkeit ist: da schwamm der Wolfsbarsch doch gerne drin!

Tom Kha GaiDer Suppengang war ein Klassiker der Moderne: Tom Kha Gai. Hätten unsere (Groß-)Mütter noch nicht gekocht, aber sicher gerne gegessen. Mittlerweile gibt’s immer wieder mal eine Variation des Gerichts, das klassisch mit Huhn (mein Thailändisch ist sehr sehr schlecht, aber Wiki verrät uns ja: gai oder kai am Ende steht fürs Huhn!) zubereitet wird. So auch von Sven Vogel und seinem Team: das Beelitzer Maishähnchen versteckte sich in einer Praline, was man beim Einsetzen des Tellers ganz gut erkennen konnte – denn natürlich wurde die Suppe erst am Platz angegossen. Also war auch nachvollziehbar, was sonst noch so die geschmacklichen Add-ons waren: Chili und Korianderöl, ausgebackene Krause Glucke, Shiitakepilze zum Beispiel. Mit der Suppe zusammen änderte sich das Bild – und schon beim ersten Löffel stellte sich ein wohlig-wärmendes Gefühl ein: die Tom Kha Gai erwies sich erfreulicherweise nicht als eine (wortwörtlich) entschärfte Version, sie zeigte Charakter. Und lieferte damit eine sehr gute Berechtigung, den dazu ausgewählten Wein auch immer mal zu nippen: Der RZ26 vom sächsischen VDP-Weingut Martin Schwarz entstand (so zumindest das wichtige Storytelling…) erstmals, weil die Riesling-Cuvée mit Trauben aus den beiden Spitzen-Riesling-Lagen des Weinguts sich weigerte, durchzugären. Und zwar beharrlich weigerte. So verblieb ein Restzuckergehalt von 26 g/l – oder eben kurz: RZ 26. Das aber schmeckte sogar dem für seine meist sehr trockenen Weine bekannten Winzer – und seitdem ist dieser fruchtsüße Riesling fester Bestandteil im Programm. Zur Tom Kha Gai auf jeden Fall eine gute Wahl, und dank angenehmer Säure und wenig Alkohol auch ein Wein, von dem man gerne noch ein zweites Glas trinken könnte.

OngletAber es ging ja weiter, getränkemäßig mit einer Reise ins Bordeaux. Im Keller des Bülow-Palais reifen einige große Weine auch alter Jahrgänge, so gesehen war der Château Magnol (Barton & Guestier, Haut-Médoc, Bordeaux) aus dem Jahr 2016 noch fast ein Jüngling. Aber für einen Haut-Médoc erwies er sich zwar als kräftig, aber mit schmeckbar weichen Tanninen – war also erstaunlich trinkbar und passte vorzüglich zum fordernden Onglet und vor allem den Begleitern Kürbis, Rettich und Kimchi mit seiner (wenn auch dem europäischen Geschmack angepassten) Schärfe. Damit der Service auch hier nicht nur reden, sondern auch handeln konnte, wurde die Jus (auf Rotweinbasis mit einem Schuss Madeira) am Platz angegossen. Vorteil des Angießens: das Kännchen mit dem Sößchen blieb am Platz (und wurde auch genutzt).

Gurke zum DessertDas Dessert kam ganz ohne Schokolade oder andere vordergründige Süßigkeiten aus – aber das verwunderte mich nicht, denn schon 2016 ging da was! Ganz in der Gemüse-Dessert-Tradition de Hauses brachte Sven Vogel also eine erfrischende Kombi aus Gurke, Yuzu, Petersilie und geröstetem Roggen. Klingt einfach, ist es aber nicht, denn für ein rundes Geschmacksbild müssen alle Komponenten stimmen. Und da kommt dann einiges zusammen: unten eine geröstete Roggencreme, oben ein Gurkensorbet. Dann marinierte Gurkenrölllchen und eine Petersiliencreme, deren Basis Petersilienwurzel und frische grüne Petersilie ist. Zum Yuzu Gel kam kandierte Yuzu Schale, und aus der Petersilienwurzelschale kann man („fürs Mundgefühl“) ja auch noch was machen, wenn man sie kandiert. So weit, so spannend. Dazu gab es aber noch einen Wettstreit der Getränke. Sven Vogel hatte einen fermentierten Gurkensud mit Petersilien-Öl und Yuzu Sake vorbereitet, überreicht mit der Empfehlung, „am besten vielleicht einen großen Schluck vorne weg trinken und dann nebenher immer so ein bisschen“. Hm. das wurde eine Herausforderung – denn natürlich passte das zum Dessert. Aber dann hatte ja auch der Service was geplant und (Zufall, wirklich) einen persönlichen Liebling gebracht. Der Treintjiewyn vom Weingut Slowine (Breede River Valley, Südafrika) ist eine Fruchtbombe an Nase und Gaumen. Vollreife Muskateller-Trauben mit einem lächerlichen Zuckergehalt von fast 207 g/l, ausgebaut im Portweinverfahren und angeblich 100 Jahre lagerfähig (wer will das ausprobieren?!?) – und einfach Bombe!

Menü

  • Tatar vom Wolfsbarsch, Bete, Granny Smith & Dill
  • Tom Kha Gai, Belitzer Maishähnchen & Krause Glucke
  • Onglet, Kürbis, Kohl & Rettich
  • Gurke, Yuzu, gerösteter Roggen & Petersilie

Weinbegleitung

  • 2023 Chardonnay Kabinett trocken, Weingut Koehler-Ruprecht, Pfalz
  • 2023 Riesling RZ 26, Weingut Martin Schwarz, Meißen
  • 2016 Château Magnol, Barton & Guestier, Haut-Médoc, Bordeaux
  • Treintjiewyn, Weingut Slowine, Breede River Valley, Südafrika

Preis

  • 3-Gänge 79,00 € | inkl. Weinbegleitung 110,00 €
  • 4-Gänge 92 € | inkl. Weinbegleitung 135 €

Caroussel Nouvelle
Hotel Bülow Palais
Königstraße 14
01097 Dresden

TEL. +49 351-8003140
buelow-hotels.de

[Besucht am 8. März 2025 | Zur Karte der hier besprochenen Restaurants in Dresden und Umgebung]

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