Weiterhin feine Küche im Weinrestaurant Charlotte

Ein erster Besuch in der neuen Charlotte in Radebeul Zitzschewig

Charlotte 2017

Dass nichts beständiger ist als der Wechsel, ist eine Binse in der Theaterwelt und mancherorts auch in der Gastronomie. Als Ines Kuka im Dezember 2007 im Radebeuler Ortsteil Zitzschewig das Restaurant Charlotte K. eröffnete, waren wir (und nicht nur wir) begeistert: Endlich mal eine Köchin, die in der Männerriege der Gourmetküchen mithalten kann. Wir waren 2008 erstmals da und dann sehr gerne immer wieder – weil es sich lohnte. Aber trotz der Beliebtheit bei vielen Gästen hat sich die Charlotte offensichtlich nicht gerechnet, im August 2016 meldete Ines Kuka Insolvenz an.

Schneller als erwartet gab es freilich Nachfolger, das Restaurant ist neu verpachtet an zwei Betreiber, von denen Udo W. Schulze als Geschäftsführer während unseres Besuchs auch zufällig im Restaurant war. Am 5. November 2016 hat das Restaurant neu eröffnet – mit neuem Team, neuen Plänen und altem Anspruch: gut soll’s sein. Und mit ebenfalls leicht verändertem Namen: ohne K. und statt dessen mit dem voran gestellten Attribut Weinrestaurant. Das klingt doch erst einmal gut – und so trafen wir bei einem Antrittsbesuch den Hauseigentümer und Winzer Bernd Kastler in der neuen Charlotte zu einem Gespräch über Wein und die Welt und lernten dabei quasi nebenbei die Neuen in der Charlotte kennen.

Jörg Meier ist Sommelier, lernte sein Handwerk in Münster und komplettierte sein Wissen in der Schweiz. Die Weine in der Charlotte kommen zum Teil – natürlich – aus dem Keller unterm Restaurant: dort haben die beiden Winzer Bernd Kastler und Enrico Friedland ihren kleinen Weinkeller, in dem sie zunehmend bessere Weine herstellen (der Wahrheit die Ehre: sie tun es zuerst im Weinberg und dann im Keller!). Bei der letztjährigen Jungweinprobe der Gemischten Bude, bei denen kastler-friedland mitmischen, hüpfte uns das Herz bei Scheurebe und Silvaner spürbar höher, und auch der für Sachsen zuständige Kollege vom Gault&Millau wollte vor der aktuellen Kollektion „nur den Hut ziehen“ und tat das mit großem Lob für die Weine und der Auszeichnung mit einer Traube. Im anerkannten Weinführer steht übrigens auch immer, wie lange die Weine trinkbar sind – das ist im Falle von Kastler-Friedland-Weinen lustig zu lesen: „trinken bis 2020“ lautet die Empfehlung, der man nur schwer nachkommen kann, wenn man nicht gehörig gebunkert hat: die Scheurebe ist prinzipiell ausgetrunken, vom Silvaner gibt’s noch wenige Flaschen. Warum die Einschränkung prinzipiell bei der Scheurebe? „Weil wir in diesem Jahr bei den Kochsternstunden mitmachen und einige Flaschen für das Menü zurückgelegt haben!“ klärt Jörg Meier auf. Aha.

Die Menüempfehlungen in der Charlotte sind einfach: Man kann wählen zwischen einem Drei-Gang-Menü (41 €), einem Vier-Gang-Menü (49 €) und einem 5-Gang-Menü (56 €). Was es dafür gibt, kann man sich selbst zusammenstellen aus zwei Vorspeisen (8 €/11 €), einer Suppe (7 €), einem Zwischengericht (11 €), drei Hauptgerichten (einmal Fisch, 24 €, zweimal Fleisch, 18 €/22€), einmal Käse (9 €) und zweimal Dessert (8 €/11 €). Billig ist das nicht, wer nachrechnet, erkennt auch nicht unbedingt einen Vorteil gegenüber den Einzelpreisen – aber vielleicht wird das ja noch korrigiert. Ob es den Preis insgesamt wert ist, galt es rauszufinden. Tilo Hamann ist der Chef in der Küche, Mitglied bei der Köchevereinigung Euro-Toques und deren Landesbeauftragter Sachsen – und holt den deutschen Ableger der Küchenchefs im April auch gleich mal zur Mitgliederversammlung in die Charlotte: Ein bisschen Schwung muss sein! Die Mitglieder der Euro-Toques verfolgen das Ziel, „traditionelle, handwerkliche Erzeuger zu unterstützen, Qualitätserzeugnisse zu fördern, die kulinarischen Traditionen Europas zu erhalten und den verantwortlichen Umgang mit Lebensmitteln durch die Köche zu gewährleisten.“ (Quelle)

Hamann, der bis vor etwa einem Jahr in der Oberlausitz einen Gasthof führte, arbeitet in der Küche mit Jennifer Amm zusammen, die zuvor auch in der Küche vom williams im Schauspielhaus war. Sie schickten (zu einem Glas Crémant vom Weingut Abril, das mit einigen seiner vorzüglichen Weine auf der Karte vertreten ist) schon mal einen Gruß aus der Küche, bei dem Kürbis mit einem Chip von Blauer Kartoffel und einer Aronia-Balsamico-Sauce eine reizvolle Geschmackskombi einging. Auf der Tafel mit tagesaktuellen Angeboten fanden wir eine perfekte Vorspeise zum Silvaner: Kalbsbries, Salat, Papaya-Salsa (11 €). Der Salat mit vielen Kräutern und einem feinen unaufdringlichem Dressing, das Kalbsbries zart (und ein wenig zu kräftig paniert nach meinem Geschmack), die Salsa fruchtig und mit dezenter Schärfe perfekt. Der elegant-knackige (und in Sachsen äußerst seltene) Silvaner von der Lage Goldener Wagen passte grandios zum Bries.

Auch zum Hauptgang wurden wir im Tagesangebot fündig: Flugentenbrust rosa gebraten, Grünkohl und Couscous (22 €). Auch hier wieder zusätzliche Kräuter, was den Grünanteil vielleicht ein wenig zu hoch trieb, zumindest für Ostfriesen wie mich, die den Grünkohl ja am liebsten dominant haben. Aber ansonsten ließ sich die zarte Entenbrust mit dem eher knackigen Grünkohl gut wegschnurpseln. Nicht fündig wurden wir zu diesem Gang bei einem passenden Wein von den Winzern Kastler und Friedland – weil die es nicht so haben mit den Roten. Aus den roten Trauben, die sie haben, machen sie leichte Rosés, was ja vielleicht eine gute Entscheidung ist. Aber gute Rote findet man beispielsweise beim Abril. Dessen Pinot Noir aus der Spitzenlinie Zeit ist ein Alleskönner, rund und dicht, mit großartiger Nase und laaaangem Nachhall.

Zum Dessert Schokoladen-Tarte mit Kumquats und Kardamomeis (8 €), das trotz Eisanteil die Seele erwärmte (wobei: Kardamom im Eis passt doch primstens zum Winter!) plauderten wir noch ein wenig über den einen oder anderen Punkt vom neuen Konzept in der Charlotte. Ein spannendes Experiment könnte der Table d’hôte werden. Bei dieser aus Frankreich stammenden Idee gibt es eine eingedeckte Tafel, an der die Gäste gemeinsam ein vom Küchenchef festgelegtes Menü genießen. Jeden Donnerstag soll der Table d’hôte eingedeckt sein – und wenn wir es richtig verstanden haben, kommt der Koch dann auch mit an den Tisch. Das könnte spannend sein… Auch neu in der Charlotte, wenn auch nicht insgesamt in der Region: gemeinsames Kochen und anschließend essen. Immer wieder sonntags bietet Tilo Hamannn thematische Kochkurse für 4-6 Personen an. Zwischen 10 und 14 Uhr wird vorbereitet und gekocht, anschließend gemeinsam das Produkt des Vormittags verzehrt. Dazu können dann weitere Angehörige oder Freunde eingeladen werden.

Bei den Kochsternstunden, die in diesem Jahr vom 3. März bis zum 9. April stattfinden, macht das Weinrestaurant Charlotte mit und bietet ein 4-Gänge-Menü (39 €) mit passenden Weinen von Kastler-Friedland (16 € inkl. Wasser) an.

Weinrestaurant Charlotte
Coswiger Straße 23
01445 Radebeul

Update August 2018: Restaurant geschlossen

Tel.: +49 351 79 51 43 93
www.charlotte-radebeul.de

Öffnungszeiten:
Mi/Do 18-23 Uhr
Fr/Sa/So 17–23 Uhr
Mo/Di geschlossen

[Besucht am 27. Januar 2017 | Zu den Restaurantkritiken für Dresden und Umgebung]

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