30 Jahre! Das war, zumindest früher®, so ein Einschnitt. Bis dahin war man leidlich jung, danach – nun ja, reden wir nicht drüber. Am 15. August 1995 eröffnete in Dresden ein Restaurant, das es heute nicht mehr gibt – weil es in den Fluten von Weißeritz und Elbe im August 2002 abgesoffen ist. Aber den Betreiber gibt’s noch: der damals erst 26 Jahre junge Gerd Kastenmeier kam damals aus Berlin, um den Dresdner etwas (in der Zeit) völlig Neues zu bieten: fine dining in einem Fischrestaurant. Zum 30. Geburtstag ein Rückblick und eine Feststellung: man ist immer nur so alt, wie man sich fühlt. Und im Nach-Nachfolgerestaurant, dem Kastenmeiers Fischrestaurant im Taschenbergpalais geht’s frisch zu wie eh und je – keinerlei Altersmüdigkeit festzustellen.
An die Anfänge erinnert sich der Gerd (wie er von all denen, die ihn gut kennen – und das sind viele – genannt wird). Er hatte das Angebot bekommen, im Erdgeschoss des neuen Art’otel ein Fischrestaurant zu eröffnen. Also fuhr er eines Sonntags nach Dresden, quartierte sich im frisch eröffneten Kempinski Taschenbergpalais ein und erkundigte sich beim Concierge nach dem besten Fischrestaurant in Dresden. Die Antwort: das sei leicht – es gebe keins! „Nicht schlecht!“, dachte sich der junge Gerd und wollte dann wissen, wo man denn dann gut Fisch essen könne. Der kundige Concierge schrieb zwei Adressen auf – und nachdem Kastenmeier dort under cover Probeessen war, stand für ihn fest: die Chancen für ein gutes Fischrestaurant in Dresden stehen gut!

Und wie gut sie waren! Schon eine Woche nach der Eröffnung war die Fischgalerie regelmäßig ausgebucht. Aus gutem Grund, denn 1995 war das Angebot an guten Restaurants sehr mau in Dresden – nicht nur im Bereich von Fisch und Meeresfrüchten. Wobei man natürlich immer sagen darf: definiere gutes Restaurant! Die Antwort ist im Grunde ja ganz einfach: schmecken muss es (und das tut es bei guten Produkten und Köchen, die wissen, was sie tun). Außerdem muss so ein Besuch Spaß machen – womit man beim quasi-Naturtalent Gerd Kastenmeier ist. Er ist oft auf Bildern zu sehen, und auf 99,9% von denen hat er dieses Lachen – nicht nur bei gestellten Pressebildern. „Du kannst dich den ganzen Tag ärgern, aber du bist nicht verpflichtet dazu“, hat er mal gesagt. Nur einmal hat der Kastenmeier Gerd nicht gelacht, aber da war er ja auch nicht er selbst, sondern der Szenegastronom Joachim „Jojo“ Benda, der im Dresden-Tatort „Nemesis“ nichts mehr zu lachen hatte, denn er saß erschossen am Schreibtisch.
Gedreht wurde damals im Kurländer Palais, in dem Kastenmeier seit 2010 das „Kastenmeiers“ betrieb und das 2018 vom Genussmagazin „Feinschmecker“ zu einem der zwölf besten Fischrestaurants Deutschlands gewählt wurde. Ich war im Mai 2011 für eine Restaurantkritik im Genussmagazin Augusto dort – und lese da einen Satz, der die vorhin noch nicht genannte dritte Säule des guten Restaurants ausmacht: Gastgeber zu sein! „Gerd Kastenmeier steht in der offenen Küche gleich hinter dem Eingangsbereich und preist hereinkommenden Gästen die Tagesangebote an – die ansehnlichsten Fische liegen zur Präsentation auf Eis bereit„, schrieb ich damals. Da zu sein, mit den Gästen zu reden: das macht den Unterschied aus. Und das geht nicht nur mit Hummer (gibt’s, frisch aus dem stets von einem Auqarianer gepflegten Hummerbecken, als Ganzer Hummer vom Grill für 99 €, aber auch im Risotto oder mit Spaghettini), sondern auch mit Bratkartoffeln und Sülze im Dorfgasthaus. Es geht ums Menschliche und Zwischenmenschliche, das Gasthäuser, Wirtschaften und natürlich auch Restaurants zu wichtigen Plätzen des Zusammenlebens macht. Der ganz kleine Gerd hat das, bevor er zum großen Der Gerd wurde, sozusagen schon in die Wiege gelegt bekommen: die Mutter war Köchin, der Vater Brauer. Sowas prägt.

Mit einem Brauer als Vater braucht’s natürlich ein ordentliches Bayerisches Bier. Vor allem in der Lindenschänke in Altmickten, die der Gastronom 1997 auf dem Weg zum Großhandel entdeckte – stark sanierungsbedürftig, aber was für ein Ort für ein Wirtshaus! Die Sanierung erfolgte denkmalgerecht, das Bier sollte besonders sein: Augustiner gab’s damals noch nicht in Dresden, also wollte Kastenmeier das haben. Einfacher gesagt als getan, denn während in Bayern die Brauerein den Wirten vor Neueröffnungen quasi die Bude einrannten, um zum Zug zu kommen, tat sich der Direktor da schwer: Dresden klingt toll, soll er gesagt haben – „aber wir sind keine Exportbierbrauerei!“ Klang wie eine Absage, war auch eine. Aber kein Grund, aufzugeben: Kastenmeier fuhr nach München, um den Herrn Direktor zu bereden. Der war immer noch nicht überzeugt, obwohl ein Satz ihn stutzig gemacht hatte: auf die Frage, wieviel Geld der Wirt der zukünftigen Lindenschänke denn haben wolle, sagte Kastenmeier: „Ich will nicht das Geld, ich will das Bier!“ Für das letzte Quentchen zum Jasagen lud Der Gerd den Herrn Augustiner nach Dresden ein – und am Ende, nach Baustellenbesichtigung und sicher dem einen oder anderen nicht öffentlich weiter erzählten gemeinsamen Bier oder Wein, hat er dann doch zugesagt. Bis 2010 gab’s die bayrisch-sächsische Küche unter den Linden von Altmickten – dann zog es den Herrn Kastenmeier zurück nach Dresden.

Denn acht Jahre, nachdem die Fischgalerie die Fische in die Hochwasser-Elbe entließ, eröffnete Gerd Kastenmeier das Kastenmeiers im Kurländer Palais und etablierte dort sehr schnell wieder ein Restaurant, dass von sich reden machte. Mit 1A-Speisen und Getränken, aber auch mit Ausstellungen wie die von Kay LEO Leonhard, der auch außerhalb der Ausstellung seine Spuren im Kastenmeiers hinterlässt – beipielsweise auf Etiketten der Hausweine. Der Umzug – wer glaubt da an Zufall? – fand in direkter Tagesfolge nach dem 15. August als Fischgalerie-Geburtsstunde statt: am 16. August schloss die Lindenschänke, am 17. August öffnete das Kastenmeiers die Türen. So gesehen fallen also 30 Jahre Kastenmeier in Dresden mit 15 Jahren Kastenmeiers Fischrestaurant zusammen, das allerdings seit dem 29. April 2019 im Taschenbergpalais beheimatet ist. Größer, zentraler und vor allem: klimatisiert. Die Räumlichkeiten im Kurländerpalais gibt es noch, was vor allem bei größeren und/oder lauteren Veranstaltungen (da gibt’s keine Hotelgäste, die schlafen wollen!) sinnvoll ist. Oder wenn, wie jüngst passiert, das Hotel grundrenoviert wird und das Restaurant dann dort schließen muss – dann ist Palais-Hopping angesagt.

„Wein ist mein Hobby, und es ist ein großes Glück, dass ich mich beruflich damit beschäftigen kann“, erzählt Gerd Kastenmeier. Seit Jahren macht er mit namhaften Winzer all over the world eigene Cuvées. Die Aktivitäten reichen vom Hauswein aus dem nahegelegenen Schloss Proschwitz über Weine anderer deutscher Winzer wie Klumpp oder Pfaffmann und Leo Hillinger in Österreich bis hin nach Südafrika, wo Weine fürs Restaurant, den Online-Shop und – neuerdings – der kleinen Weinbar im Eingangsbereich zum Restaurant entstehen. Als ich mal zum Podcast bei Gerd Kastenmeier zu Hause war, hatte die Weinkarte im Restaurant 290 Positionen. Wie viele offene Weine?, wollte ich wissen. Die Antwort war typisch Kastenmeier, selbstbewusst und gastorientiert: „Wir machen jeden Wein auf! Ich habe alles, was Sie sich leisten können!“
Kastenmeiers – das Fischrestaurant im Taschenbergpalais
Taschenberg 3
01067 Dresden
Tel. +49 351 48484801
www.kastenmeiers.de
.
Hinterlasse jetzt einen Kommentar