Mario Pattis eilt der Ruf voraus, mit guten Zutaten nicht zu geizen. Er war der erste Koch im deutschen Osten, der nach der Wende einen Michelin-Stern erhielt – das war damals noch oben auf dem Weißen Hirsch im Familien-Restaurant mit dem herrlichen Namen Zur Erholung. Seit dem Sommer 2024 hat er (endlich!) wieder sein eigenes Restaurant. Im Feine Kost – Mario Pattis kann er seine Leidenschaft für Gastfreundschaft, hochwertige Produkte und Perfektion ausleben. Im Zusammenspiel mit seinem Team in der (offenen) Küche und im Service entstehen so Genussmomente, an die man sich gerne erinnert. Und ich würde mich nicht wundern, wenn Mario Pattis hier wieder Besuch von den Michelin-Inspektoren bekommt…
Den Service leitet Simona (seit dem Sommer:) Pattis, mit Jana Schellenberg und Alexander Stange haben die beiden Sommeliers aus der Nicht-mehr-Weinzentrale einen adäquaten neuen Arbeitsplatz gefunden – und die Gäste zwei so kompetente wie ungezwungene Weinempfehler. Simona Pattis, die uns schon seit der Eröffnung des e-Vitrum 2017 mit begleitet und immer wieder als vorzügliche Gastgeberin auffiel, macht natürlich auch im neuen Restaurant ihr Ding, zugewandt und liebenswert: wir fühlten uns bestens aufgehoben.
Zu den Spezialitäten im Hause Pattis gehört zweifelsohne die Vorliebe des Patrons für feine Zutaten. Dass im offiziellen Kochsternstunden-Menü weder das Wort Auster noch Begriffe wie Kaviar oder Trüffel auftauchen, hat also nichts zu heißen, denn wer genau hinliest, findet ja den Understatement-Begriff Amuses Bouches ganz oben auf der Karte. Das ist Mehrzahl und auch wirklich so gemeint. Also starteten wir den Abend nicht mit den (drei!) Vorspeisen, sondern mit Brot (plus Olivenöl und Butter) sowie Auster mit Passionsfrucht – Blini mit Schmand und Kaviar – Kartoffelschaum, pochiertes Bio-Ei, Curry-Eis und Trüffel. Wir waren ja zuvor schon der Empfehlung von Jana Schellenberg gefolgt und hatten sehr gerne jede(r) ein Glas La Montina, Franciacorta brut vor uns, was zu den Verwöhn-Küchengrüßen mehr als eine gute Idee war: selten so schön gebubbelt!
Der Vorspeisen-Dreier begann mit einer Trilogie: Thunfisch auf dreierlei Art. Als Tatar, als Sashimi und mit Sesam (schwarz wie hell) ummantelt und nur sehr kurz angebraten. Das könnte für sich allein ja schon Textur- und Geschmackvielfalt bringen, aber da geht natürlich noch was, auch ein Thunfisch ist nicht gerne allein. Also gesellt sich ein Spiegel von Crème fraîche zum Tatar, das Sashimi paarte sich mit einem genialen Krustentier-Eis, und der kurz gebratene Thuna-Sesam-Würfel lag auf Mangopüree. Wir schwärmten!
Hin und wieder bringt Mario Pattis selbst die Gerichte zum Tisch, so wie auch diesen: im kleinen Glas tummelten sich, fein austariert und arrangiert, gebackene Scampi, gebackene Jakobsmuschel und Papayasalat – und das alles auf einer Kokos-Pana cotta. Es grenzt ja fast an Beleidigung, wenn hier erwähnt werden muss, dass die Jakobsmuschel so zart glasig war wie es sich gehört: natürlich war sie das! Zusammen mit dem fruchtigen und leicht scharfen Papayasalat ein Gedicht – aber zusammen mit dem dazu empfohlenen Wein noch einen Zacken besser: Jana Schellenberg hatte einen Savagnin PURE vom Weingut Seckinger aus der Pfalz empfohlen. Und während man als ambitionierter Weintrinker die drei Seckinger-Brüder sicher kennt, ist ihr Savagnin nicht in aller Munde. Man verortet die Sorte eher im Jura und verbindet sie mit der dortigen Spezialität Vin Jaune. Dies aber war Pfalz! Auf Buntsandsteinböden mit Kalkeinlagerungen gewachsen, im gebrauchten Barrique ausgebaut und in der Naturwein-Interpretation der Seckingers unfiltriert abgefüllt. Die Sorte heißt in Deutschland auch Weißer Traminer, aber dieser war verspielt-duftig und nicht so fruchtig. Nase und Gaumen gingen ein wenig auseinander, aber zum Essen: ein Traum. Als wären sie füreinander gemacht!
Von der Trilogie zum Zweierlei: Mario Pattis brachte Entenleber, einmal als Terrine und dazu als Eiscreme. Natürlich (!) gehört dazu etwas (!!) Trüffel, aber auch den Tupfer Aprikosenmarmelade nahmen wir als fruchtige Ergänzung gerne an. Weil ich es bis jetzt nicht erwähnt habe: bei Pattis Feine Kost werden alle Speisen auf Meissener Porzellan angerichtet (unterschiedliche Serien, aber immer klar und nicht verspielt). Wie sehr der Patron das Meissener mag, erkennt man auch an den Wänden: dort hängt, statt Bildern, Porzellan aus Meißen. Bei jedem anderen würde ich das wahrscheinlich – pardon: – affig finden. Aber hier passt’s. Was auch passte: der Wein. Süß sollte er sein, natürlich, und wenn man da nicht nach Frankreich geht, landet man für unverkennlichen Geschmack fast zwangsläufig an der Mosel. Das Weingut Walter liegt an einer der imposanten Moselschleifen im Örtchen Briedel (900 Einwohner, 20 Weinbaubetriebe!) an der Terrassenmosel. Gerrit Walter macht hier aber einiges anders als die Anderen: „Wir bewirtschaften unsere 7,5 Hektar Rebenfläche mit viel Aufwand, nachhaltig und naturnah. All unsere Weinberge werden in mehreren Durchgängen gelesen, um die passenden Trauben für die verschiedenen Qualitäten zu ernten. Unsere Erträge liegen rund 40 % unter dem Volumen zahlreicher anderer Weingüter der Region“, heißt es auf der Webseite. Der Betrieb ist also nicht ohne Grund Mitglied in Der Ring 1899 Mosel – und bei der Gründung von Maxime Herkunft an der Mosel haben wir ihn ja auch kennen gelernt. Die Auslese vom Briedeler Weisserberg ist ungewöhnlich jung (Jahrgang 2023), aber herrlich trinkreif. 8 % Alkohol nur, Dank früher Lese ordentliche Säurestruktur, nicht wirklich arg zuckersüß: den könnte man nicht nur zur Entenleber genießen!
So hätte es eigentlich immer weiter gehen können. Hier ein Häppchen, dort eine Kleinigkeit, spannende Weine: was für ein tolles Abendprogramm. Doch nach (inkl. Brot, Butter, Olivenöl) vier Küchengrüßen und drei Vorspeisen folgte nun der Hauptgang: Lamm! Selbstredend, damit’s nicht langweilig wird, zwei verschiedene Stücke – aber beide kurz gebraten und herrlich aromatisch. Die Aromenvielfalt des Drumherum kam vom Bohnenragout, der Jus und – erstaunlich feinem – Tzatziki. Brokkoli, selbst wilder, bringt ja farblich meist mehr als geschmacklich. Jus gab’s in ausreichender Menge (was ja nicht selbstverständlich in der feinen Küche ist), weswegen die gefüllten Gnocchi herrliche Saucenditscher waren. Mit dem Wein verließen wir erstmals die deutschen Regionen: ein ungewöhnlicher Pies Negros vom Weingut Artuke in der Rioja. Die Trauben von Tempranillo (90%) und Graciano (der Rest…) wurden mit den Füßen getreten, um sie sanft zu entsaften – das erklärt den Namen. Die geschmeidige Eleganz kommt vom anderen Ansatz: es ist kein klassischer Rioja, die Trauben wurden früh gelesen und spontan vergoren. Im Glas ist der Wein – trotz 14 % Alkohol – erstaunlich frisch.
Den Abschluss bildete ein Schokoladentörtchen mit flüssigem Kern auf einer marinierten Birne mit weißem Portwein-Eis. Dazu hätte man natürlich Portwein trinken können, aber statt dessen reisten wir an die Rhône, um einen Vin Doux Naturel zu probieren. Nun gut, gelber Muskateller geht ja auch fast immer, dieser Muscat de Beaume de Venise von der Domaine de Bernardins kam mit 15 % dem Port eh schon sehr nahe…
PS: Ein Leben ohne Reparaturwein ist möglich, aber sinnlos. Mosel bietet sich da an, auch wenn es Saar ist: Der feinherbe Riesling Kabinett Niedermenniger Herrenberg vom Hofgut Falkenstein war da ideal. Der Wein hatte übrigens auch einen quasi inoffiziellen Namen: die Trauben, entnehmen wir dem Etikett, stammen aus der Parzelle Herbert – und die Weine dieses Fuders bekommen bei Erich und Johannes Weber immer die AP-Nummer mit der 15. Ach ja: old school winemaking an der Saar – wie schön!
Menü
- Amuses Bouches
- Drei Vorspeisen
- Trilogie vom Thunfisch | Mango
- Kokos-Panna Cotta | Papayasalat
Karotte | Koriander | Erdnüsse | Knuspergarnele | Jakobsmuschel - Entenleber | Aprikosenmarmelade
Getoasteter Brioche
- Lamm | Tzatziki | Bohnenragout | Gnocchi
Wilder Brokkoli | Jus - Schokoladenküchlein | Nüsse
Marinierte Birne
Weißes Portweineis
Weinbegleitung
- 2023 Sauvignon Blanc, Weingut Andres, Pfalz
- 2023 Savagnin PURE, Weingut Seckinger, Pfalz
- 2023 Riesling Auslese, Weingut Walter, Mosel
- 2021 Pies Negros, Artuke, Rioja
- 2022 Muscat de Beaume de Venise, Domaine de Bernardins, Rhône
Preis
- Menü 79,00 € | inkl. Getränkebegleitung 124,00 €
Restaurant Feine Kost – Mario Pattis
Wallgässchen 4,
01097 Dresden
Tel.: +49 (0)351 65 86 38 76
mariopattis.de
Öffnungszeiten:
Di. – Sa.: 18:00 Uhr bis 22:00 Uhr
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Hinweis:
Die STIPvisiten sind Partner der Kochsternstunden
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